7.
S. 53 Daher „werde eine Feste inmitten des Wassers und scheide das Wasser vom Wasser”. Es ist bereits1 gesagt worden, was in der Schrift die Bezeichnung „Feste” bedeutet: Sie versteht darunter keine widerstrebende, feste Substanz mit spezifischer Schwere und Widerstandsfähigkeit - denn in diesem Falle hätte die Erde solche Benennung mit weit mehr Recht beansprucht -, sondern wegen der feinen, luftartigen und übersinnlichen Natur der höher liegenden Körper, also im Vergleiche mit den feinsten und den Sinnen nicht zugänglichen Dingen, hat sie den Himmel „Feste” genannt. Denke dir irgendeinen Raum, der die Feuchtigkeit zu scheiden vermag, der das Feine und Durchgeseihte nach oben durchläßt, das Dichte und Erdartige aber als Niederschlag zurückläßt, wobei aber beim allmählichen Verschwinden der Feuchtigkeit von Anfang an bis zum Schlusse dieselbe Temperatur erhalten bleibt. Aber du siehst bedenklich auf die Menge des Wassers und siehst nicht auf die Menge der Wärme; ist letztere quantitativ auch nicht viel, sie hat doch die Kraft, viel Feuchtigkeit aufzuzehren. Denn sie zieht die Feuchtigkeit in der Nähe an, wie wir das beim Schröpfkopfe beobachten können; was sie aber anzieht, das verzehrt sie, wie das Lampenlicht den ihm durch den Docht zugeführten Nahrungsstoff anzieht, sofort verwandelt und verbrennt. Wer zweifelt aber daran, daß der Äther feurig ist und verbrennt? Wäre ihm von seinem Schöpfer nicht eine natürliche Grenze gesetzt worden, was hätte ihn gehindert, alles in Brand zu setzen und zusammenzubrennen und zugleich alle Feuchtigkeit in den Dingen zu verzehren? Deshalb ist Wasser in der Luft in Form von Wolken, die sich im oberen Raum aus den aufsteigenden Verdunstungen der Flüsse, Quellen, Sümpfe, Seen und aller Meere bilden, damit nicht der Äther alles erfasse und verbrenne. Sehen wir doch auch, wie unsere Sonne zur Sommerzeit oft einen feuchten und schlammigen Ort in kürzester Zeit ganz trocken und ausgedorrt zurückläßt. Wohin kam nun hier das Wasser? Das sollen uns die Allerweltsweisen angeben. Ist es denn nicht allgemein S. 54 bekannt, daß es von der Sonnenhitze verdunstet und aufgezehrt wurde? Trotzdem lassen jene die Sonne nicht einmal warm sein - freilich, wenn sie nur etwas behauptet haben! Seht doch, mit welchem Beweis sie gegen die augenscheinliche Tatsache anlaufen! Die Farbe der Sonne, sagen sie, sei weiß, nicht rötlich noch gelblich; deshalb sei sie auch der Natur nach nicht feurig; vielmehr entstehe ihre Hitze aus ihrer schnellen Rotation2. Aber was gewinnen sie damit? Etwa das, daß man auch nicht glauben soll, die Sonne verzehre Feuchtigkeit? Obschon nun ihre diesbezügliche Behauptung3 nicht wahr ist, so will ich sie, die meinen Schluß bestätigt, nicht verwerfen. Es wurde also gesagt, wegen der Absorption durch die Hitze sei das viele Wasser notwendig. Dabei verschlägt es nichts, ob die Sonne von Natur heiß ist oder ihre Hitze einem äußeren Vorgang dankt, wenn sie nur bei denselben Materien dieselben Wirkungen hervorbringt. Denn ob Holz durch Aneinanderreiben in Feuer und Flamme gesetzt wird oder an einer Flamme sich entzündet, das Ende ist in beiden Fällen das gleiche und dasselbe. Übrigens sehen wir des Weltregenten Weisheit auch daran, daß er die Sonne von einem Ort an den anderen versetzt, damit sie nicht durch ein stetes Stehen an nämlicher Stelle mit einem Übermaß an Hitze die Ordnung zerstöre. Vielmehr führt sie der Schöpfer bald gegen den Süden zur Wintersonnenwende, bald versetzt er sie zu den Zeichen der Tag- und Nachtgleiche; von der rückt er sie gegen Norden zur Sommersonnenwende, so daß durch ihren allmählichen Umlauf die Erdzonen ihre gemäßigte Temperatur erhalten.
Doch sie mögen sehen4, ob sie nicht mit sich selbst uneins werden: Behaupten sie ja doch, das Meer trete trotz der einmündenden Ströme nicht über die Ufer dank der verdunstenden Einwirkung der Sonne, und zudem bleibe es salzig und bitter, weil das leichte und trinkbare Wasser von der Hitze absorbiert werde, was in erster S. 55 Linie Folge der zersetzenden Tätigkeit der Sonne sei, die das Leichte fortnimmt, das Schwere und Erdhaltige aber gleichsam als Schlamm und Bodensatz zurückläßt, woher auch das Bittere, Salzige und die Trockenwirkung des Meeres komme. Das behaupten sie also vom Meere und ändern doch wieder ihre Meinung und sagen, durch die Sonne werde keine Abnahme der Feuchtigkeit bewirkt.
