XIV. KAPITEL. Die Eigentümlichkeiten (ldiomata) der göttlichen Natur.
Die Ungeschaffenheit, die Anfangslosigkeit, die Unsterblichkeit, Unendlichkeit, Ewigkeit, die Immateriälität, die Güte, die Schöpferkraft, die Gerechtigkeit, die Lichtgebung, die Unveränderlichkeit, die Leidenschaftslosigkeit, die Unumschriebenheit, die Unfaßbarkeit, die Unumschränktheit, die Unbegrenztheit, die Unsichtbarkeit, die Unbegreifbarkeit, die Bedürfnislosigkeit, die Selbstherrschaft und Selbstbestimmung, die Allgewalt, die Lebensspendung, die Allmacht, die Machtvollkommenheit, die Heiligung und Mitteilung, das Allumfassen S. 42 und Allzusammenhalten, die Allfürsorge — all das u. dgl. besitzt [das göttliche Wesen] von Natur; es hat dies nicht anderswoher bekommen, sondern teilt selbst seinen Geschöpfen entsprechend der Aufnahmsfähigkeit des einzelnen alles Gute mit.
Die Personen weilen und wohnen ineinander. Denn sie sind unzertrennlich und gehen nicht auseinander, sie sind unvermischt ineinander, jedoch nicht so, daß sie verschmelzen oder verfließen, sondern so, daß sie gegenseitig zusammenhängen. Denn der Sohn ist im Vater und Geiste, und der Geist im Vater und Sohne, und der Vater im Sohne und Geiste, ohne daß eine Zerfließung oder Verschmelzung oder Vermischung stattfände. Und es besteht Einheit und Identität in der Bewegung, denn die drei Personen haben nur eine Bewegung, eine Tätigkeit. Das läßt sich bei der geschaffenen Natur nicht beobachten.
So bleibt auch die göttliche Erleuchtung und Wirksamkeit, die nur eine, einfach und ungeteilt ist, obwohl sie in den geteilten Dingen verschiedenartiges Gute wirkt und allen das zuteilt, was den Bestand ihrer Natur bedingt, einfach, sie vervielfältigt sich ungeteilt im Geteilten und sammelt und wendet das Geteilte zu seiner eigenen Einfachheit hin. Denn alles verlangt nach ihr und hat in ihr seine Existenz. Sie teilt allem das Sein mit, so, wie es seine Natur braucht. Sie ist das Sein der Seienden, das Leben der Lebendigen, die Vernunft der Vernünftigen und der Verstand der Verständigen, während sie selbst über dem Verstand, über der Vernunft, über dem Leben und über dem Sein ist.
Außerdem dringt sie auch durch alles ohne Vermischung, durch sie aber [dringt] nichts. Ferner erkennt sie auch alles in einfacher Erkenntnis. Mit ihrem göttlichen, allschauenden und immateriellen Auge sieht sie alles auf einfache Weise, das Gegenwärtige, das Vergangene und das Zukünftige, ehe es geschieht 1. Sie ist ohne Sünde, läßt Sünden nach und rettet. Sie kann alles, was sie will, aber nicht alles, was sie kann, will sie. Sie kann nämlich die Welt vernichten, will es aber nicht.
Vgl. Dan. 13, 42 nach der Vulgata. ↩
