V. KAPITEL. Beweis, daß es nur einen Gott gibt und nicht viele.
Daß Gott existiert, sowie daß sein Wesen unbegreifbar ist, ist zur Genüge bewiesen worden. Daß es aber nur einen Gott gibt und nicht viele, das ist denen, die der göttlichen Schrift glauben, nicht zweifelhaft. Es sagt ja der Herr zu Anfang der Gesetzgebung: „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt. Du sollst keine anderen Götter außer mir haben 1.“ Und S. 9 wiederum: „Höre, Israel, der Herr, dein Gott, ist der einzige Herr 2.“ Und durch den Propheten Isaias spricht er: „Ich bin Gott von Anbeginn und ich bin es hinfort, und außer mir ist kein Gott. Vor mir war kein anderer Gott, und nach mir wird keiner sein, und außer mir ist keiner 3.“ Und der Herr spricht in den heiligen Evangelien zum Vater also: „Das ist das ewige Leben, daß sie dich erkennen, den allein wahren Gott 4.“ Mit denen aber, die der göttlichen Schrift nicht glauben, wollen wir uns folgendermaßen auseinandersetzen:
Das göttliche Wesen ist vollkommen, ihm mangelt nichts an Güte, an Weisheit und an Macht, es ist ohne Anfang, ohne Ende, ewig, unbegrenzt — kurz, absolut vollkommen. Gesetzt nun, wir wollen viele Götter annehmen, so wird sich notwendig ein Unterschied unter den vielen bemerkbar machen. Denn wenn gar kein Unterschied unter ihnen besteht, so ist vielmehr einer und nicht viele. Ist aber ein Unterschied unter ihnen, wo ist dann die Vollkommenheit? Denn stünde einer in Hinsicht auf Güte oder auf Macht oder auf Weisheit oder auf Zeit oder auf Ort hinter dem Vollkommenen zurück, so wäre er nicht Gott. Die vollständige Identität aber beweist erst recht einen und nicht viele.
Wie wäre es aber auch möglich, daß beim Dasein vieler die Unbegrenztheit gewahrt bliebe? Denn wo der eine wäre, könnte der andere nicht sein.
Wie ließe sich ferner von vielen die Welt regieren? Müßte sie sich nicht auflösen und zugrundegehen, da doch ein Kampf unter den Regierenden offensichtlich wäre? Denn der Unterschied bringt Gegensätzlichkeit mit sich. Wollte man aber behaupten, jeder beherrsche seinen Teil, [dann frage ich,] was ist denn das, das die Ordnung geschaffen und die Verteilung unter ihnen vorgenommen? Das ist doch wohl erst recht Gott. Einer also ist Gott, vollkommen, unbegrenzt, Schöpfer des Alls, Erhalter und Regierer, übervollkommen und übervollendet.
S. 10 Zudem ist es aber auch eine Naturnotwendigkeit, daß die Einheit Grund der Zweiheit ist.
