VII. KAPITEL. Vom Hl. Geiste — Vernunftbeweis.
1 Es muß aber das Wort auch ein Pneuma (einen Hauch) haben. Denn nicht einmal unser Wort ist ohne Hauch. Allein bei uns ist der Hauch etwas unserer Wesenheit Fremdes. Er ist ein Einnehmen und Abgeben der Luft, die man zur Erhaltung des Körpers einzieht und ausstößt. Zur Zeit des Sprechens wird er zur Stimme des Wortes, die die Bedeutung des Wortes in sich offenbart. Bei der göttlichen Natur nun, die einfach und nicht zusammengesetzt ist, muß man zwar die Existenz eines Pneuma Gottes fromm zugeben, denn das Wort [Gottes] steht nicht hinter dem unsrigen Wort zurück. Aber nicht fromm ist es, das Pneuma für etwas Fremdes, von außen zu Gott Hinzukommendes zu halten wie bei uns, die wir zusammengesetzt sind. Nein. Denn wenn wir vom Worte Gottes hören, sind wir nicht der Meinung, es habe keine eigene Subsistenz oder es entstehe durch Lernen oder es werde durch eine Stimme erzeugt oder es ergieße sich in die Luft und vergehe, vielmehr [meinen wir], es subsistiere wesenhaft (in eigener Hypostase), habe freien Willen, sei wirksam und allmächtig. In gleicher Weise denken wir auch, wenn wir vom Pneuma Gottes hören, das das Wort begleitet und S. 12 seine Wirksamkeit offenbart, nicht an einen Hauch, der keine eigene Subsistenz hat. Es würde ja so die Hoheit der göttlichen Natur zur Niedrigkeit herabgedrückt, dächte man sich das Pneuma in ihm ähnlich unserem Hauch. Nein, [wir denken] an eine wesenhafte Kraft, die man für sich in eigener Hypostase betrachtet. Sie geht vom Vater aus und ruht im Worte und offenbart es. Sie kann sich von Gott, in dem sie ist, und vom Worte, das sie begleitet, nicht trennen noch ihr Sein verlieren, sondern sie besteht ebenso wie das Wort selbständig für sich, ist lebendig, hat freien Willen, bewegt sich selbst, ist wirksam, will stets das Gute, besitzt unumschränkte Willensmacht 2, hat keinen Anfang und kein Ende. Denn nie fehlte dem Vater das Wort noch dem Worte das Pneuma.
So wird durch die Einheit der Natur der polytheistische Irrtum der Heiden zunichte gemacht, durch die Annahme des Logos und Pneuma aber die Lehre der Juden 3 abgetan, und von den beiden Ansichten bleibt das Brauchbare: von der jüdischen Anschauung die Einheit der Natur, vom Heidentum aber nur die Unterscheidung der Personen 4.
Sollte aber der Jude gegen die Lehre vom Worte und Geiste Widerspruch erheben, so soll er sich von der Hl. Schrift widerlegen und den Mund zum Schweigen bringen lassen. Denn vom Worte sagt der göttliche David: „In Ewigkeit, Herr, währt dein Wort im Himmel 5.“ Und wiederum: „Er sandte sein Wort und heilte sie 6.“ Das Wort aber, das man mit dem Munde ausspricht7, wird nicht gesandt und bleibt auch nicht in S. 13 Ewigkeit. Vom Hl. Geiste aber [sagt] derselbe David: „Du sendest aus deinen Geist [Hauch], und sie werden geschaffen 8.“ Und wiederum: „Durch das Wort des Herrn sind die Himmel befestigt (geschaffen) und durch den Geist (Hauch) seines Mundes ihr ganzes Heer 9.“ Und Job: „Ein göttlicher Geist ist es, der mich geschaffen, und ein allmächtiger Hauch, der mich erhalten 10.“ Geist (Hauch) aber, der gesandt wird, schafft, befestigt und erhält, ist kein Odem, der sich auflöst, wie auch der Mund Gottes kein körperliches Glied ist. Beides nämlich muß man auf eine gotteswürdige Art verstehen.
[Vernunftbeweis:] συλλογιστικὴ ἀπόδειξις [syllogistikē apodeixis]. Diesen Zusatz haben nicht alle Handschriften. ↩
Das in diesem Kapitel bis hierher kursiv Gedruckte ist fast Wort für Wort aus Greg. Nyss., Orat. catech. c. 2 Migne, P. gr. 45, 17. ↩
Sie lehrten einen abstrakten Monotheismus. ↩
Bilz (a. a. O. S. 39) weist darauf hin, daß dieser Gedanke bereits bei Basilius, Contra Sab. I (Migne, P. gr. 31, 600 C); Ep. 210 (l. c. 32, 776 B), bei Gregor von Nazianz, Orat. 25, 16 (l. c. 35, 1221 A) und bei Gregor von Nyssa, Orat. catech. c. 3 (l. c. 45, 17 D) sich findet. ↩
Ps. 118, 89 [hebr. Ps. 119, 89]. ↩
Ebd. [Ps.] 106, 20 [hebr. Ps. 107, 20]. ↩
λόγος προφορικός. [logos prophorikos]. ↩
Ps. 103, 30 [hebr. Ps. 104, 30]. ↩
Ebd. [Ps.] 32, 6 [hebr. Ps. 33, 6]. ↩
Vgl. Job 33, 4. ↩
