13.
Vielleicht könnte nun Jemand ob einer solchen Lehre erschrecken, weil wir nunmehr vom Tode dessen handeln, von dem wir kurz vorher gesagt haben, daß er gleichewig [sic] sei mit dem Vater und aus seiner Substanz hervorgezeugt, und von dem wir lehrten, daß er an Herrschaft, Majestät und Ewigkeit mit Gott dem Vater gleich sei. Aber erschrick nicht, gläubiger Leser: denn bald wirst du Denjenigen, von dem du hörst, daß er gestorben sei, als Wiederauferstandenen erkennen. Denn den Tod hat er übernommen, um dadurch den Tod zu berauben. Denn jenes Geheimniß der Fleischwerdung, von welchem wir oben handelten, hat diesen Zweck, daß die göttliche Kraft des Sohnes Gottes gleichsam wie ein gewisser Köder durch das Äussere des menschlichen Fleisches verdeckte und (wie der Apostel Paulus vorher sagte: „Im Äussern wie ein Mensch erfunden“) den Fürsten der Welt zum Kampfe einladen konnte, und daß er ihn, indem er ihm sein Fleisch wie zur Speise übergab, durch die Angel der Gottheit innerlich gefesselt hielt in der Vergießung des unbefleckten Blutes. Denn er allein, der die Makel der Sünde nicht kennt, hat die Sünden Aller getilgt: derer nämlich, die mit seinem Blute die Pfosten ihres Glaubens zeichneten. Gleichwie also ein Fisch, wenn er eine mit Speise verdeckte Angel (Haken) erfaßt, nicht nur die Speise vom Haken nicht löst, sondern auch selbst aus der Tiefe hervorgezogen wird, um dann Andern zur Speise zu dienen: so hat auch Derjenige, welcher die Herrschaft des Todes besaß, den Leib Jesu im Tode zwar an sich gerissen, ohne aber zu merken, daß in demselben der Angelhaken der Gottheit eingeschlossen war; sondern da er verschlang, blieb er selbst für immer hängen und wurde, nachdem die Schranken der Hölle zersprengt waren, wie aus der Tiefe hervorgezogen um Andern zur Speise zu werden. 1 S. 47 Daß Dieß so kommen werde, hatte unter diesem selbigen Bilde der Prophet Ezechiel schon lange vorher angekündigt mit den Worten: „Und ich werde dich hervorziehen in meiner Angel, und ich werde dich zerstreuen über die Erde. Die Fluren werden angefüllt werden von dir, und setzen werde ich über dich alle Vögel des Himmels und sättigen aus dir alle Thiere der Erde.“ 2 Doch auch der Prophet David sagt: „Du hast zerschmettert die Häupter des grossen Drachen, du hast ihn gegeben zur Speise den Völkern der Äthiopier.“ 3 Und Job legt über dasselbe Geheimniß in ähnlicher Weise Zeugniß ab; er spricht nämlich im Sinne des Herrn, der zu ihm redet: „Oder du wirst herbeischleppen den Drachen im Angelhaken und einen Halfter legen um seine Nase.“ 4
Unter den kirchlichen Schriftstellern hatte zuerst Origenes den Versuch gemacht, es näher und ausführlicher zu begründen, wie und warum im Tode Christi eine Besiegung des Teufels und somit die Erlösung des Menschen gegeben sei. Er glaubte, daß durch den Tod Jesu dem Teufel ein ihm zustehendes Lösegeld gezahlt worden sei, wobei aber zugleich eine Täuschung, resp. Ueberlistung des Teufels stattgefunden habe. Seit Origenes ging dieser Gedanke von einer Ueberlistung des Teufels durch den Tod Jesu in die kirchliche Literatur über, jedoch so, daß die meisten Väter und Schriftsteller die bei Origenes beigemischte falsche Vorstellung von dem Rechte des Teufels auf ein Lösegeld abstreiften. Auch bei Rufin finden wir die Anschauung von der Ueberlistung des Teufels nicht nur von jeder häretischen Beimischung frei, sondern dazu in einer originellen und ansprechenden Weise. Zugleich gibt er durch die Fassung seiner Darstellung deutlich genug zu erkennen, daß er im bildlich-figürlichen Sinne spricht, wie ohne Zweifel auch Cyrill von Jerusalem cat. 12,15, welche Stelle Rufin augenscheinlich berücksichtigt. ↩
Ez 32,3.4. ↩
Ps 73,14. ↩
Hi 40,20. ↩
