6.
Jakob hat durch Geduld sowohl den Segen des Vaters als auch den Bruder gewonnen. Er überwindet seinen Zorn, um dereinst sicher zurückzukehren; er empfiehlt das Haus seinem Vater und geht in Ruhe und in versöhnlicher Stimmung von dannen, um so darzutun, daß er das, was er errungen, verdient und nicht erschlichen hatte. Und damit niemand diese Geduld als Furchtsamkeit bezeichne und damit ihren Glanz verdunkle, S. 119 gestalteten sich auch die Verhältnisse bei der Heimführung seiner Frauen so: Er nimmt Lia als seine Gattin an; er hält auch die ausbedungenen Zeiträume seiner Dienstleistung ein; er nimmt willig alle Aufträge seines Schwiegervaters auf sich. Wäre er ungeduldig gewesen, hätte er, durch dessen Verschlagenheit übervorteilt, nicht abermals um Rachel die gleiche Zeit gedient. 1 Ähnlich zeigte sich auch Joseph geduldig, als er von den Brüdern von der Weide weggerissen wurde; geduldig, als er in den Brunnen geworfen ward; geduldig, als er auf harte Weise versteigert wurde; geduldig im Kerker, geduldiger noch auf dem Königsthron, und am geduldigsten, als er die heißersehnten Brüder erkannte:2 denn da, wo die Prahlsucht sich nicht beherrschen kann, beherrschte er sich, nämlich in hoher Ehrenstellung. Das ist wirklich himmlische Geduld, die weder Drangsal, noch Glück, noch Gemütsempfindung aus ihrem Gleichgewicht zu bringen vermag.
