Vierundsechzigster Vortrag: Predigt auf die hl. Felicitas.
S. 346Weil die Zeit es uns nicht erlaubt, die mannigfaltigen und zahlreichen Siegestriumpfe der Märtyrern, welche die jedesmal sich selbst täuschende, Grausamkeit des Verfolgers anhäufte, aufzuzählen, so eilt der ganze In halt unserer Rede1 zu jener [Heiligen] hin, die gewürdigt wurde, so viele Söhne zu besitzen, als Tage die Welt erhalten hat2 . In Wahrheit eine Mutter von Leuchten, die Quelle von Tagessonnen, die durch das Siebengestirn ihrer Nachkommenschaft leuchtet über die ganze Erde! Glückselig sie, die nicht nur für das Gesetz leidet3 , sondern den siebenarmigen Leuchter des Gesetzes selbst als heilige Mutter zu erzeugen würdig befunden wurde, den siebenarmigen Leuchter, Brüder, der nicht nur das geheimnisvolle Dunkel nur eines irdischen Zeltes erhellt, sondern mit heiligem Flammenschein erleuchtet die ewige Kirche. Glückselig sie, die so viele Unterpfande der Tugend4 zu tragen verdiente, als jene heilige Arche an geheiligten Gesetzesbüchern in sich barg5 , und weil, wie diese durch das Wort, so jene durch ihre Tat Lehrmeisterin sein sollte. Damals schon, Brüder, erzeugte sie die Märtyrer, als sie die heiligte durch die mystische Siebenzahl6 der Geburtswehen. Herbei, herzu mag kommen Paulus, der noch in den Geburtswehen liegt, bis Christus in den Menschen gebildet ist7 . Siehe, so gebiert auch dieses Weib immer und immer wieder, bis die Schwachheit umgewandelt ist in Kraft, das S. 347Fleisch hinaufsteigt in das Land des Geistes, die Erde aufgenommen ist in den Himmel. Sie verlangte und sehnte sich darnach, an einem einzigen Tage sie zu heiligen Märtyrern zu machen, die sie als Kinder erezugt hatte durch eine Reihe von Jahren. Seht da, ein [echtes] Weib, eine [wahre] Mutter:das Leben ihrer Kinder macht ihr Sorge, der Tod gibt ihr erst Ruhe!
Glückselig sie, die umstrahlen in der ewigen Herrlichkeit ebenso viele Leuchter wie Söhne! Glückselig sie, dass sie so viele Söhne vor sich her sandte zum Himmelreiche! Glückseliger aber noch ist sie, dass sie ihren Schatz in dieser Welt nicht verlor!8 . Noch mit größerer Freude schritt sie einher zwischen den durchbohrten Leichen ihrer Söhne, als zwischen den teuren Wiegen derselben; denn mit ihrem geistigen Auge sah sie so viel Siegeszeichen als Wunden, so viel Ehrenpreise als Folterwerkzeuge, so viel Kronen als Opfer! Wozu soll ich noch mehr sagen, Brüder? Die wäre keine wahre Mutter, die ihre Kinder nicht so lieben könnte.
