Sechsundsechzigster Vortrag: Predigt über die Feier der Kalenden des Januars.
S. 349Sobald Christus aus Liebe zu unserer Erlösung geboren war, gebar auch der Teufel alsogleich zahllose und der Liebe Gottes verderbenbrtingende Ungeheuer [der Hölle], um die Gottesverehrung zum Spott zu machen, um die Heiligkeit zur Gotteslästerung abzuwandeln, um Gott Unehre zuzufügen aus dem, was ihm zur Ehre sein sollte. Daher, Brüder, kommt es, das ist der Grund dafür, dass heute die Heiden ihre Götzen mit so ausgesuchten Scheußlichkeiten, in so ausgedachter Schändlichkeit, ja mit einer aller Schande überbietenden Gemeinheit1 zur Schau hervorholen, zur Schau ausstellen und herumführen2 , von denen sie sonst sagen, dass sie unsichtbar seien. Welch ein Unsinn, welch ein Wahnsinn, welch eine Verblendung: Götter zu bekennen und sie mit unseligem Spotte zu schänden! Verächter, nicht Verehrer der Götter sind die, die so durch ihre Verehrung ihre Götter verhöhnen! Mit Schmach, nicht mit Ehre überhäufen sie ihre Götter, da sie diejenigen, von denen sie sich gebildet glauben, so verunstalten, da sie sie entstellen, nicht verherrlichen, indem sie sie abbilden in ihrer eigenen Schamlosigkeit. Ganz wie der Apostel sagt: „Weil sie nicht darauf bedacht waren, die Erkenntnis Gottes zu bewahren, gab sie Gott verderblichem Sinne preis, das zu tun, was sich nicht ziemt“3 . Denn indem sie denen Göttlichkeit zuerkennen, denen sie die Menschlichkeit aberkennen4 , indem sie die des Himmels würdig erachten, denen sie nicht einmal ein S. 350der Erde würdiges Aussehen geben, sind sie in Wahrheit preisgegeben verderblichem Sinne. Und dies nicht nach menschlichem Urteil, sondern nach dem Ratschluß des weisen Gottes, damit sie selbst die Rächer der Verunehrungen Gottes seien, wie sie sich erwiesen haben als die Urheber dieser Verunehrung. Welcher Zorn, welche Rachewut war es denn wohl, die [die Menschen] durch solchen Götzendienst zu einer derartigen Beleidigung der Gottheit antrieb, dass die Nachgeborenen diejenigen, die die graue Vorwelt in verblendeter Weise durch Altäre, Räucherwerk, Opfer, Edelsteine und Gold zu Göttern stempelte, nun durch diese schmachvollste Verehrung für ganz gemeine Menschen hielten, dass sie ihren Lebenswandel, ihre Sitten, ihre Taten auf ihrem Antlitz ausprägten und so sie mehr dem Abscheu als der Verehrung preisgaben?
Brüder! Laßt uns diejenigen beweinen, die solchen Ideen gefolgt sind; wir aber wollen uns freuen, dass wir durch des Himmels Gnade solchem Verderben entgangen sind! Ihre Ehebrüche stellen sie in Bildern dar, ihr unzüchtiges Treiben malen sie auf die Leinwand, ihre Blutschändereien schmücken sie aus auf den Gemälden, ihre Grausamkeiten zeichnen sie ein in die Bücher [der Geschichte], ihre Mordtaten verewigen sie der Nachwelt, ihre Gottlosigkeit verherrlichen sie in Trauerspielen, ihre Gemeinheit ehren sie in Spielen in welcher Verblendung könnten sie die für Götter ansehen, wenn nicht deshalb, weil sie solche lasterhaften Götter zu haben wünschen, da sie selbst brennen vor Begier nach Verbrechen, vor Verlangen nach Lastern? Denn wer zu sündigen verlangt, ehrt und verehrt den Urheber der Sünden! Daher weiht sich der Ehebrecher der Venus zum Dienste, daher weihet sich der Grausame dem Mars! Dies haben wir gesagt, Brüder, um den Grund anzugeben, warum die Heiden heute ihren Göttern das aufbürden, unter dessen Last wir seufzen; warum sie die Götter in einer Weise darstellen, dass sie dem Beschauer Abscheu und Scham erwecken, warum mitunter auch diejenigen selbst, die [diese Bilder] S. 351anfertigen, sich entsetzen und davor fliehen, und schließlich, warum die Christen sich rühmen sollen, durch Christus von ihnen erlöst zu sein! [Aber wir haben dies auch gesagt,]damit die Christen sich nicht beflecken sollen durch die Teilnahme an solchen Schauspielen, damit sie sich nicht beschmutzten durch die Berührung5 , damit sie der Gefahr der Zustimmung aus dem Wege gehen sollten, weil immer die Zustimmung gleich zu erachten ist der Handlung selbst, wie der Apostel bekundet, wenn er spricht: „Nicht allein, die es tun, sondern auch, die mit denen einverstanden sind, welche es tun“6 . Und wenn ein solches Urteil schon dem Zustimmenden zuteil wird, wer kann dann genugsam beklagen diejenigen, die in solchen Bildern sich vorführen?7 . Haben sie nicht das Ebenbild Gottes verloren, haben sie nicht ihre Gottebenbildlichkeit vernichtet, haben sie nicht das Gewand Christi abgelegt, die in solchen gotteslästerlichen Gestalten sich aufgeführt haben?
Doch es mag jemand einwenden: es soll dies keine Gotteslästerung sein, es ist nur lustige Tollerei! Es ist dies nur der Ausdruck der Freude über die neue Zeit, nicht soll es sein das Werk des alten Wahnglaubens! Es ist ja die Absicht, den Jahresanfang zu feiern, nicht eine anstößige Handlung des Heidenglaubens! Mensch, du täuschst dich! Das sind keine Scherze, sondern Verbrechen! Denn wer spielt mit der Gottlosigkeit, wer ergötzt sich an Gotteslästerungen, wer nennt denn das Verbrechen einen Scherz? Sattsam belügt sich, der so denkt. Ein Tyrann ist, wer das Gebahren eines Tyrannen nachzumachen sich unterfängt! Wer sich als Gott ausgibt, ist in Wahrheit des [echten] Gottes Widersacher; Gottes Bild [in sich] zu tragen verschmäht der, welcher die Maske eines Götzenbildes tragen will. Wer scherzen will mit dem Teufel, wird sich nicht freuen S. 352können mit Christus! Keiner spielt ohne Gefahr zu laufen mit der Schlange, keiner spielt ungestraft mit dem Teufel! Wenn wir also noch etwas von Liebe in unseren Herzen haben, wenn wir in uns noch etwas von Achtung vor der Menschenwürde tragen, wenn wir also noch in uns hegen etwas von Liebe zu dem Heile des Nächsten, so laßt uns alle die davon abziehen, die so in ihr Verderben rennen, die so hinabgerissen werden in den Tod, in den Tartarus, die so eilends in die Hölle rennen! Der Vater also halte [von solchem Treiben] ab den Sohn, der Herr den Sklaven, der Verwandte den Verwandten, der Bürger den Mitbürger, ein Mensch den andern, der Christ alle, die sich in wilde Tiere verkleiden, den Tieren sich gleichmachen, dem niedrigen Vieh sich ähnlich gestalten, dem Teufel sich nachbilden! Und der Retter wird seinen Lohn empfangen; wer aber säumig ist, den erwartet die Strafe! Glückselig, wer sein eigenes Leben bewacht und auch besorgt ist um das Heil der andern!
vgl. zum Ganzen Augustinus, De civit. Dei. 1. II, c. 5. 8. 26 f,; I. VII, c. 21 ff. ↩
trahunt, distrahunt, pertrahunt ↩
Röm 1,28 ↩
d. i. nicht einmal „ein menschenwürdiges Aussehen geben“, entsprechend dem parallelen Gedanken im Folgenden ↩
ich lese mit Januel inquinentur attactu, stat inqui nent thura tactu ↩
Röm 1,32 ↩
D. i. die Göttermasken anlegen ↩
