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Doch fern sei der Gedanke, dass an den Gliedern der Heiligen, auch an ihren Geschlechtsorganen, etwas Unsittliches sei! Diese werden zwar als ʻunanständig’ bezeichnet, weil sie nicht jenen schicklichen Anblick bieten wie die Körperglieder, welche sich dem Auge unverhüllt darbieten. Doch seht, was der Apostel an der Stelle sagt, wo er die Kirche zur Liebe ermuntert, indem er das Bild von der Einheit und dem Zusammenwirken der Glieder unseres Leibes benutzt (I Kor. 12,22 ff.): Im Gegenteil, gerade die schwächer scheinenden Glieder des Leibes sind unentbehrlich; und denen, die wir als die weniger edlen Glieder des Leibes ansehen, umkleiden wir mit umso grösserer Ehre; und unsere weniger achtbaren Glieder geniessen umso grössere Achtung; jene aber, die achtbar sind, haben das nicht nötig; doch Gott hat den Leib so zusammengefügt, dass er demjenigen Glied höhere Ehre zukommen liess, dem es daran gebrach, damit es im Leib keinen Zwiespalt gebe. Unsittlich ist also ein unerlaubter und den Regeln der Enthaltsamkeit sich nicht fügender Gebrauch jener Organe, nicht die Organe an sich, welche nicht nur von jungfräulich lebenden Männern und Frauen in beispielhafter Reinheit bewahrt werden, sondern immer schon von verheirateten heiligen Vätern und Müttern, deren einziges Ziel die Weitergabe des Lebens war, so benutzt wurden, dass jener natürliche Trieb in keiner Weise unsittlich war, da er ja nicht der Lustbefriedigung, sondern einem vernunftgemässen Zweck diente. Wieviel mehr noch hatten also diese Organe bei der heiligen Jungfrau Maria, die den Leib Christi durch ihren Glauben empfing, nichts Unsittliches an sich, denn sie dienten nicht einmal dem menschlichen Zeugungsakt, der ja etwas Erlaubtes ist (cf. P. 747,3), sondern einzig der göttlichen Geburt! Und sie sind aus wahrhaft gutem Grunde auf diese Weise ausgezeichnet worden, damit uns Maria unter Bewahrung ihrer Reinheit Christus auch leiblich übergeben konnte, jenen Christus, den wir einmal durch unseren Glauben aus reinem Herzen empfangen, und durch unser Bekenntnis gleichsam zur Welt bringen würden. Denn auf keine Weise sollte Christus die Mutter durch seine Geburt erniedrigen, indem er ihr mit dem Geschenk der Fruchtbarkeit die Würde der Jungfräulichkeit raubte. Dieses Ereignis fand wirklich statt, es wurde nicht vorgetäuscht! Doch es ist etwas Erstmaliges, es ist etwas Ungewohntes, es ist etwas, was gegen den allbekannten Lauf der Natur verstösst; denn es ist gewaltig, es ist wunderbar, es ist göttlich, und umso mehr ist es wahr, unbezweifelbar, gesichert!
Auch die Engel, sagte Faustus weiter (p. 744,9), sind erschienen und haben gesprochen, obwohl sie nicht geboren wurden. Als ob wir behaupten würden, dass Christus, wenn er nicht aus der Frau geboren wäre, nicht hätte erscheinen und sprechen können. Er hätte es gekonnt, aber er wollte es nicht! Und das, was er wollte, ist sinnreicher. Dass er es aber wollte, ist deshalb gesichert, weil er es tat; denn er hätte – anders als euer Gott – nichts aus äusserem Zwang getan, sondern er tat alles durch eigenen Willensentscheid. Dass er es aber getan hat, bezweifeln wir deshalb nicht, weil wir unseren Glauben nicht auf einen beliebigen Häretiker, sondern auf sein Evangelium stützen.
