1.
Faustus: Anerkennst du das Evangelium?
Und voll und ganz.
Folglich anerkennst du also auch, dass Christus geboren wurde?
Das tue ich nicht. Wenn ich nämlich das Evangelium anerkenne, so folgt daraus nicht, dass ich deshalb auch anerkenne, dass Christus geboren wurde. Wie das?
Weil das Evangelium sowohl dem Inhalt wie der Bezeichnung nach doch erst bei der Verkündigung Christi beginnt und da sagt er selber ja nirgends, dass er von Menschen geboren sei.
Und in der Tat ist die Genealogie so weit entfernt davon, Evangelium zu sein, dass nicht einmal deren Verfasser es gewagt hat, sie Evangelium zu nennen.
Was hat er denn geschrieben? Buch der Geburt Jesu Christi, des Sohnes Davids (Mt. 1,1), also nicht Buch des Evangeliums Jesu Christi, sondern Buch der Geburt. Und da wird ja auch noch der Stern eingeführt, welcher die Geburt bestätigt (cf. Mt. 2,2), sodass man diesen Teil, wenn man korrekt sein will, eher als ‚Genesidium’ denn als ‚Evangelium’ bezeichnen könnte.
Und achte schliesslich noch darauf, wie passend Markus, der nicht vorhatte, die Geburt, sondern einzig die Verkündigung des Sohnes Gottes, d.h. das Evangelium aufzuschreiben, sein Werk einleitete: Evangelium Jesu Christi, des Sohnes Gottes (Mk. 1,1), woraus deutlich und überdeutlich klar wird, dass die Genealogie nicht das Evangelium ist.
Ja auch bei Matthaeus selber liest man nach der Einkerkerung des Johannes (cf. Mt. 4,12), Jesus habe nun begonnen (cf. Mt. 4,17), das Evangelium vom Reich zu verkünden (cf. Mt. 4,23).
Es steht also fest, dass alles, was davor berichtet wird, Genealogie, nicht Evangelium ist.
Was überhaupt hat Matthaeus davon abgehalten, ebenfalls zu titeln: Evangelium Jesu Christi, des Sohnes Gottes, ausser dass er es für ungebührlich hielt, die Genealogie als Evangelium zu bezeichnen?
Wenn dir nun genügend klar geworden ist – was dir bis jetzt entgangen ist –, dass Evangelium und Genealogie zwei völlig verschiedene Dinge sind, dann wisse also, dass ich, wie ich bereits gesagt habe, das Evangelium, d.h. die Verkündigung Christi, anerkenne.
Wenn immer du mich dazu weiter befragen willst, frage, aber lass die Herkunftsgeschichte aus dem Spiel! Falls du aber vorhast, auch darüber einen Disput zu führen, an mir soll es nicht fehlen, denn auch dazu habe ich eine Fülle von Antworten bereit. Du aber lerne zu fragen, dies ist das Allererste! Jetzt scheinst du mir nämlich gar nicht wissen zu wollen, ob ich das Evangelium, sondern ob ich die Herkunftsgeschichte anerkenne.
