1.
Faustus sagte: Ich bin nicht gekommen, das Gesetz aufzuheben, sondern es zu vollenden (Mt. 5,17). Zu glauben, dass dieser Satz von Christus stammt, müsste dir nämlich genau so widerstreben wie mir, es sei denn, er habe einen ganz andern Sinn (484,24). Wir beide sind nämlich Christen mit derselben Grundüberzeugung, dass Christus gekommen ist, um das Gesetz und die Propheten zu zerstören. Auch wenn du das einstweilen nicht in Worten bestätigen willst, zeigst du es doch deutlich in deinen Taten. Daher nämlich kommt es, dass auch du die Gebote des Gesetzes und der Propheten missachtest, daher kommt es, dass wir beide bekennen, dass Jesus den Neuen Bund begründet hat, womit wir doch nichts anderes bekennen, als dass er den Alten Bund zerstört hat. Wie könnten wir unter diesen Umständen daran glauben, dass Christus jenen Satz (Mt. 5,17) gesprochen hat, es sei denn, wir würden uns zuvor selber bezichtigen, in der Vergangenheit einer törichten Überzeugung gefolgt zu sein, uns also zur Umkehr entschliessen, von Neuem dem Gesetz und den Propheten Gefolgschaft leisten und uns bemühen, all ihre Gebote, mögen sie noch so absurd sein, sorgsam zu beobachten. Erst nachher könnten wir ehrlichen Herzens daran glauben, dass Christus gesagt hat, er sei nicht gekommen, das Gesetz aufzuheben, sondern es zu vollenden. Für jetzt aber hat dieser Satz als Fälschung zu gelten (cf. 484,25), denn auch du glaubst nicht an seine Aussage, auch wenn du mir allein diesen Vorwurf machst.
