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Faustus sagte: Nimmst du das Alte Testament an? Natürlich nicht, da ich ja seine Gebote nicht einhalte! Ich glaube allerdings, dass das gleiche für dich gilt: denn die Beschneidung (cf. Gen. 17,10-14) habe ich als etwas Verabscheuungswürdiges abgelehnt, wenn ich mich nicht täusche, auch du; die Sabbatruhe (cf. Ex. 20,8 ff.; ib. 23,12; ib. 31,12-17; lev. 19,3; ib. 23,5) als etwas Überflüssiges; ich glaube auch du; die Opfer (cf. Ex. 29-30; lev. 1-7) als Götzendienst, ich zweifle nicht daran, auch du. Schweinefleisch ist für mich gewiss nicht das einzige Fleisch, auf das ich verzichte (cf. Lev. 11,3-23; deut. 14,3-21), ebenso wenig ist es für dich das einzige, auf das du nicht verzichtest; ich handle so, weil ich jegliches Fleisch für unrein halte, du aber, weil du nichts für unrein hältst; so wird das Alte Testament von uns beiden nach je einer Seite hin niedergerissen. Die Woche der Ungesäuerten Brote (cf. Ex. 12,15-20; 13,3-10; lev. 23,5 ff.) und das Laubhüttenfest (lev. 23,33 ff.) missachteten wir beide als unnütz und sinnlos. Leinenkleidern keine Purpurfäden einzuweben, Gewänder aus Leinen und Wolle als widernatürliche Mischung zu betrachten (cf. Deut. 22,11), es als Sakrileg anzusehen, Ochs und Esel bei Bedarf zusammen vor den Pflug zu spannen (cf. Deut. 22,10), niemanden mit Hinterkopf- oder Stirnglatze oder ähnlichen Merkmalen zum Priester zu machen (cf. Lev. 21,16 ff.), da solche Menschen vor Gott unrein sind, all diese Dinge liessen uns beide gleichgültig, wir belächelten sie und massen ihnen keinerlei Bedeutung zu. All das aber sind Vorschriften und Werke der Gerechtigkeit aus dem Alten Testament. Was du mir zum Vorwurf machst, habe ich also mit dir gemeinsam, mag man es als Vergehen oder als richtiges Verhalten ansehen; denn wir beide lehnen das Alte Testament ab. Wenn du also fragst, welches der Unterschied ist zwischen deinem und meinem Glauben, so liegt er darin, dass es dir Vergnügen bereitet, Lügen zu verbreiten und dich unredlich zu verhalten, indem du mit dem Munde lobst, was du im Herzen verabscheust, während ich die Kunst der Täuschung nie gelernt habe: was ich empfinde, das sage ich; ich gebe zu, dass mir die Lehrer solch beschämender Vorschriften ebenso zuwider sind wie die Vorschriften selber.
