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Wenn ihr dagegen zum Schluss kommt, dass Moses und die Propheten mit ihrer Unterscheidung der Speisen das Gesetz Gottes, nicht jenes der Dämonen zu Anwendung bringen, wenn Daniel die drei Fastenwochen im Namen des Heiligen Geistes beobachtete (cf. Dan. 10,2), wenn die drei jungen Männer Ananias, Azarias und Misahel durch Eingebung des göttlichen Geistes Gemüse und Hülsenfrüchte vorzogen (cf. Dan. 1,12 ff.), wenn schliesslich all jene unter euch, die Enthaltsamkeit üben, dies nicht auf Antrieb der Dämonen tun, und wenn das vierzigtägige Fasten ohne Wein und Fleischgerichte nicht aus einem Irrglauben heraus, sondern nach dem göttlichen Gesetz befolgt wird: wenn ihr zu diesem Schluss kommt, denkt darüber nach, ich bitte euch, denkt darüber nach, ob es nicht von höchstem Unverstand zeugen würde, zu glauben, dass der Satz jede Enthaltsamkeit von Speisen sei >Lehre der Dämonen, von Paulus stammt; und das gleiche gilt für die weitere Aussage, dass es ebenfalls Lehre der Dämonen sei, Jungfrauen Christus zu weihen (cf. I Tim. 4,2: prohibentes nubere). Auch diese Aussage lest ihr, wie alles andere, ohne euch weitere Gedanken zu machen, und schaut dann sofort auf uns, und merkt nicht, dass damit auch eure eigenen Jungfrauen den Stempel bekommen, von der Lehre der Dämonen gefangen zu sein, und dass ihr selber als Priester der Dämonen amtet, indem ihr sie ständig um die Wette mit euren Werbereden für diesen Stand zu begeistern sucht, mit dem Ergebnis, dass die Zahl der Jungfrauen bei euch schon fast in allen Gemeinden grösser erscheint als jene der verheirateten Frauen. Warum also lasst nicht auch ihr endlich ab von solchem Tun? Warum führt ihr die erbarmungswürdigen Menschentöchter auf diesen Irrweg, wenn sich doch an ihnen damit nicht der Wille Christi sondern der Wille der Dämonen erfüllt? Doch möchte ich, dass ihr uns zuerst folgende Frage beantwortet: ist die Förderung der Jungfräulichkeit an sich Lehre der Dämonen, oder nur dann, wenn es mittels Eheverbot geschieht? Wenn nur in diesem >Fall, dann fühlen wir uns nicht betroffen; denn es ist auch unsere Meinung, dass es genau so töricht ist, jemanden, der sich zur Ehelosigkeit entschlossen hat, davon abzubringen, wie es unsittlich und gewissenlos ist, jemanden, der das klar nicht will, dazu zu zwingen; wenn ihr es dagegen schon als Lehre der Dämonen betrachtet, die Entscheidung zur Jungfräulichkeit zu fördern und nicht dagegen anzukämpfen, wenn sich jemand dafür entschieden hat, dann will ich im Augenblick gar nicht vom Risiko sprechen, das ihr selber damit eingeht, ich bin aber in Sorge um den Apostel selber, dass er in den Ruf kommen könnte, damals die Lehre der Dämonen nach Ikonion gebracht zu haben, als er mit seiner Predigt in Thekla, die bereits für die Ehe versprochen war, die Liebe zur lebenslangen Jungfräulichkeit entzündete (cf. Acta Pauli 3). Was sollen wir erst über Jesus sagen, den Lehrmeister und Gewährsmann für diese ganze gottgeweihte Lebensform, den himmlischen Bräutigam der Mädchen, die diesen Stand gewählt haben; er hat ja im Evangelium (cf. Mt. 19,12) drei Kategorien von Eunuchen bestimmt, die eine, die es von Geburt an ist, die zweite, die dazu >gemacht wurde, die dritte, die es freiwillig geworden ist, hat dabei aber den Siegespreis jenen zuerkannt, die sich selber zu Eunuchen gemacht haben um des Himmelreiches willen, womit er auf jene Jungfrauen und Jünglinge verwies, die sich allein schon das Verlangen nach der Ehe aus ihrem Herz herausschnitten und so für immer als Eunuchen in seiner Kirche leben wie in einem Königspalast! Was sagt ihr dazu? Erscheint euch auch dies als Lehre der Dämonen, und im Namen des Geistes der Täuschung gesprochen? Und von wem sonst wird man noch sagen können, er spreche im Namen Gottes, wenn es sich erweist, dass Paulus und Christus Priester der Dämonen waren? Denn ich lasse hier die übrigen Apostel unseres Herrn beiseite, Petrus und Andreas, Thomas und jenen Johannes, der, ohne Erfahrung in der körperlichen Liebe, inmitten der übrigen Apostel glücklich war: sie alle haben bei verschiedenen Gelegenheiten den Besitz dieses Gutes durch Jungfrauen und Jünglinge in göttlich inspirierter Verkündigung besungen (cf. Acta Petri ..), womit sie uns und gleichermassen euch selber ein Muster hinterlassen haben, wie die Jungfräulichkeit gefördert >werden kann. Doch wie bereits gesagt, übergehe ich diese, da ihr sie ja aus eurem Kanon ausgeschlossen habt, und ihnen bei eurer gotteslästerlichen Einstellung mühelos Lehren der Dämonen zuschreiben könnt. Doch könnt ihr dasselbe etwa auch von Christus sagen, oder vom Apostel Paulus, von dem ja ebenso allgemein bekannt ist, dass er nicht nur in seinen Aussagen die Unverheirateten den Verheirateten immer vorzog (cf. I Kor. 7,7), sondern dies auch durch seine Handlungsweise gegenüber der hochheiligen Thekla (cf. PA 3) deutlich gezeigt hat? Wenn dies aber nicht Lehre der Dämonen war, was da Paulus der Thekla und die andern Apostel den andern Menschen verkündeten, wer vermag da noch glaubhaft zu behaupten, Paulus habe mit jenem Satz (I Kor. 4,1 ff.) zum Ausdruck bringen wollen, dass schon die Überredung zu jener gottgeweihten Lebensform Wille und Lehre der Dämonen sei? Es besteht also vorerst für euch kein Anlass, zu glauben, dass nur ihr die Jungfräulichkeit einzig mit Ermunterungen, nicht aber mit Eheverboten fördert, denn auch für uns ist ebendies innerste Überzeugung. Und in der Tat ist jemand als geistig gestört, nicht >nur als geistig beschränkt zu betrachten, der glaubt, es könne etwas, was durch staatliches Gesetz erlaubt ist, durch Privatgesetz verboten werden: und dazu zähle ich eben das Heiraten. Und aus diesem Grunde ermuntern auch wir jene, die den Willen zur Ehelosigkeit haben, standhaft dabeizubleiben, drängen aber niemanden, der diesen Willen nicht besitzt, sich diesem Stand anzuschliessen. Wir wissen nämlich, wie viel der Wille, wie viel auch die Kraft der Natur sogar gegen staatliches Gesetz vermag, geschweige denn gegen privates Gesetz, dem man mit einem offenen Nein antworten kann. Wenn es also untadelig ist, auf diese Weise die Jungfräulichkeitt zu fördern, dann sind auch wir frei von Schuld; wenn dagegen jedwede Art von Förderung der Jungfräulichkeit schuldhaft ist, dann seid auch ihr Angeklagte. In welchem Sinn nun und nach welcher Massregel ihr diese Schriftstelle (I Tim. 4,1) gegen uns verwendet, ist mir allerdings unklar.
