3.
Nun hat Faustus also behauptet (310,22), dass wir in Schwierigkeiten kämen, wenn die Juden uns sagen würden: Warum nehmt ihr das Alte Testament für euch in Anspruch, obwohl ihr dessen Gebote nicht einhält? Ihnen antworten wir, indem wir auf die verehrte und gut behütete Autorität eben dieser Schrift hinweisen. Doch was ist eure Antwort, wenn man euch fragt: Warum nehmt ihr die Schriften des Evangeliums für euch in Anspruch, als deren Anhänger ihr euch ausgebt, um damit unerfahrene Menschen zu täuschen, obwohl ihr an das, was dort geschrieben ist, überhaupt nicht glaubt, es im Gegenteil mit allen Kräften bekämpft? Sicher seht ihr nun, dass eher ihr um eine Antwort verlegen seid, wenn man euren Umgang mit dem Neuen Testament kritisiert, als wir, wenn uns dasselbe beim Alten widerfährt. Denn wir bezeichnen alles, was im Alten Testament steht, als echt, als von göttlicher Seite angeordnet, als im Einklang mit jener Zeit stehend. Wenn man euch dagegen all das entgegenhält, was zwar in den Büchern des Neuen Testaments steht, aber von euch nicht anerkannt wird, verlassen euch bei der Antwort gleich die Kräfte, die offensichtliche Wahrheit schnürt euch die Kehle zu, und keuchend wie schwer Verwundete behauptet ihr, das alles seien Fälschungen. Welches Wort sonst könnten diese Fälscher im Würgegriff als letztes aushauchen? Besser noch, welch anderen Geruch könnten ihre durchbohrten Leichname verbreiten? Und dabei hat Faustus bekannt (310,2), er habe sowohl aus dem Neuen Testament als auch aus dem Alten gelernt, dass man fremdes Gut nicht begehren soll, – was er von seinem eigenen Gott gewiss nicht hätte lernen können. Denn wenn jener nicht fremdes Gut begehrte, warum hat er dann die neuen Aeonen auf dem Gebiet der Finsternis, wo sie vorher nie waren, errichtet? Oder wird er darauf entgegnen: Aber zuvor hat das Volk der Finsternis mein Reich, das für dieses Volk ja auch fremdes Gut war, begehrt? Dann hat er sich also das Volk der Finsternis zum Vorbild genommen, um selber fremdes Gut zu begehren! Oder hatte etwa das Reich des Lichts vorher an Raumnot gelitten, und war somit der Krieg willkommen, weil bei einem Sieg die Grenzen des Reichs ausgedehnt werden konnten? Wenn dieses Motiv sittlich vertretbar ist, hätte man das fremde Gut schon früher begehren können, aber man wartete, bis sich das feindliche Volk als erstes in den Krieg stürzte, damit sich seine Eroberung gewissermassen besser rechtfertigen liess; wenn das Motiv dagegen sittlich verwerflich ist, warum wollte dann euer Gott, dass sich seine Herrschaft nach der Besiegung des Feindes über das fremde Gebiet ausbreitete, obwohl er vorher, zufrieden mit seinem eigenen Herrschaftsgebiet, in voller Glückseligkeit gelebt hatte? O wären doch die Manichäer bereit, von den Vorschriften des Alten Testaments wenigstens diejenigen, die das sittliche Handeln regeln, – deren eine lautet, dass wir kein fremdes Gut begehren sollen, – wirklich kennen zu lernen! Sicherlich würden sie dadurch milder gestimmt, und – sanftmütig geworden – würden sie erkennen, dass auch jene andern, eine Sinnbildfunktion erfüllenden Vorschriften, an denen sich ihre Wut entlädt, durchaus ihrer Zeit angemessen sind: der damaligen Zeit waren sie es, indem sie befolgt wurden, der heutigen Zeit, indem sie verstanden werden. Wie aber kann man uns vorwerfen, dass wir das Alte Testament als fremdes Gut begehren, da wir doch lesen (I Kor. 10,11), was jenen modellhaft widerfuhr; geschrieben aber wurde es für uns, die das Ende der Zeiten erreicht hat. Ich glaube nicht, dass jemand fremdes Gut begehrt, der liest, was seinetwegen geschrieben wurde.
