9. Da Christo auch jene wunderbaren Werke zugeschrieben werden, welche in Betreff der Söhne Israels schon von den Zeiten des Moses an verzeichnet sind, so wird daraus geschlossen, daß er schon längst vor seiner zeitlichen Geburt gewesen sei.
Da auch der Apostel Dieses Allen klar und deutlich machen möchte, spricht er so:1 „Da Jesus das Volk aus dem Lande Ägypten rettete, vernichtete er nachher Jene, welche nicht glaubten.“ Aber auch an einer andern Stelle sagt er:2 „Lasset uns Christum nicht versuchen, wie ihn Einige von Jenen versuchten und dann durch Schlangen umkamen.“ Auch der Erste der Apostel, — Petrus, sagt:3 „Und nun, was versuchet ihr Gott, um ein Joch auf den Nacken der Jünger zu legen, das weder unsere Väter tragen konnten, noch wir? (Nein) sondern durch die Gnade unsers Herrn Jesu Christi glauben wir gerettet zu werden, wie auch Jene.“ Wir wissen, daß das Volk Gottes ohne Zweifel nur von Gott aus Ägypten befreit, durch ungeheure Wasserwege mit trockenen Füßen geführt, und in den weiten Einöden der Wüste erhalten worden sei, nach jener Stelle:4 „Der Herr allein führte sie, und nicht ein anderer Gott war bei ihnen.“ Wie konnte nun der Apostel S. 536 durch so viele und klare Zeugnisse verkünden, daß das Judenvolk von Jesus aus Ägypten befreit, und daß Christus von den Juden damals in der Wüste versucht worden sei, wie er ja sagt: „Lasset uns Christum nicht versuchen, wie Einige von Jenen ihn versucht haben, und durch Schlangen umkamen?“ Und lehrt nicht der hl. Apostel Petrus, daß alle Heiligen, welche unter dem Gesetze des alten Testamentes lebten, durch die Gnade unsers Herrn Jesu Christi gerettet worden seien? Nun ziehe dich heraus und entfliehe hier, wenn du kannst, wer du immer bist, der da mit rasendem Munde und gotteslästerlichem Geiste wüthet und meint, es sei fast kein Unterschied zwischen Adam und Christus, und der da leugnet, daß Jener auch nach der Geburt aus der Jungfrau Gott gewesen sei! Zeige nun recht, wie du beweisen kannst, er sei auch vor der leiblichen Geburt nicht Gott gewesen! Sieh doch, es ruft der Apostel, daß das Volk von Jesus aus dem Ägyptenlande befreit worden, und daß Christus in der Wüste von Ungläubigen versucht worden sei; daß ferner auch unsere Väter, nemlich die Patriarchen und Propheten, durch die Gnade unseres Herrn Jesu Christi gerettet worden seien. Läugne nun Das, wenn du kannst! Ich würde mich aber auch nicht wundern, wenn du es thätest und läugnen würdest, was wir alle lesen, da du ja auch geläugnet hast, was wir alle glauben. Sieh also endlich ein, daß schon damals Christus in Gott das Volk aus Ägypten geführt hat, und daß Christus in Gott von dem versuchenden Volke versucht worden ist; daß ferner Christus in Gott alle Gerechten durch die Freigebigkeit seiner Gnade gerettet hat, weil durch die geheimnißvolle Einheit Gott so in Christus und Christus in Gott überging, daß man bei Allem, was Gott that, sagen kann, Christus habe es gethan, und bei Allem, was später Christus litt, — Gott habe es gelitten. Wenn also der Prophet sagt:5 „Es soll bei dir kein neuer Gott sein, und einen fremden S. 537 Gott sollst du nicht anbeten“: so hat er Das in dem Sinne und Geiste gemeint, in welchem der Apostel sagte, daß Christus der Führer des israelitischen Volkes aus Ägypten sei, so daß er also meinte, jener Mensch, welcher aus der Jungfrau geboren worden, sei immer durch das Geheimniß der Vereinigung in Gott gewesen; denn wenn man nicht so glaubt, so wird entweder Christus mit den Häretikern nicht für Gott gehalten, oder doch gegen den Ausspruch des Propheten für einen neuen Gott. Aber das sei ferne von dem katholischen Volke Gottes, daß es entweder von dem Propheten abzuweichen, oder mit den Häretikern übereinzustimmen scheine, und so vielleicht das Volk des Segens in jenen Fluch verfalle,6 daß man von ihm sage, es habe seine Hoffnung auf einen Menschen gesetzt. Denn wer behauptet, daß unser Herr Jesus Christus als bloßer Mensch geboren worden sei, muß auf doppelte Weise dem Fluche verfallen, er mag an ihn glauben oder nicht. Denn wenn er glaubt, so ist verflucht, wer seine Hoffnung auf einen Menschen setzt; wenn er aber nicht glaubt, so ist er nichts desto weniger verflucht, weil er eben Gott vollständig geläugnet hat, obwohl er an einen Menschen nicht glaubte.
