8a.
Wenn du so streitsüchtig bist, dann will ich dich mit deiner eigenen Auffassung schlagen. Du darfst überhaupt keinen Zwischenraum einfügen zwischen Geburt und Beiwohnung. Du darfst mir auch nicht etwa kommen mit der Vorschrift: „Wenn eine Frau empfanden und einen Sohn geboren hat, soll sie unrein sein sieben Tage lang, wie zur Zeit ihrer monatlichen Reinigung. Und am achten Tage soll sie das Fleisch seiner Vorhaut beschneiden. Dreiunddreißig Tage soll sie daheim bleiben im Blute ihrer Reinigung und nichts Heiliges anrühren u. s. w.“1 . Sofort soll Joseph S. 271zudringlich werben; sofort soll von ihm das Prophetenwort gelten: „Gegen die Frauen sind sie geworden wie geile Hengste; ein jeder wieherte nach der Gattin seines Nächsten“2 . Wie könnte man sonst die Worte rechtfertigen: „Er erkannte sie nicht, bis sie ihren Sohn gebar“3 , wenn Joseph nachher die Zeit der Reinigung noch abwartet, wenn die so lange verhaltene Begierlichkeit von neuem um vierzig Tage verschoben wird? Die Mutter liegt noch im Blute da, die Ammen nehmen den weinenden Knaben in Empfang, der Gatte aber umarmt die erschöpfte Gattin. Unter solchen Umständen muß dann der eheliche Verkehr beginnen, nur damit der Evangelist nicht gelogen habe. Wie kann man so etwas von der Mutter des Erlösers und von einem gerechten Manne annehmen? Da gab es keine Hebammen oder anderer Frauen Geschäftigkeit. Sie selbst wickelte das Kind in Windeln; sie selbst war Mutter und Geburtshelferin4 . „Und sie legte es“, so heißt es weiter, „in die Krippe, weil in der Herberge kein Platz war“5 . Diese Stelle entkräftet auch die Phantastereien der Apokryphen, da Maria in eigener Person das Kind in Windeln wickelte6 ; auch gestattet sie nicht, daß der eheliche Verkehr, wie Helvidius es will, gepflegt wurde, da hierzu in der Unterkunft kein Platz war.
Lev. 12, 2-4. ↩
Jer. 5, 8. ↩
Matth. 1, 25. ↩
Die vorhergehenden Ausführungen bezeichnet Grützmacher [I, 273] als eine mit ekelhafter Raffiniertheit erfolgte Offenbarung der schmutzigen Phantasie des hl. Hieronymus. Dies Urteil, das ganz vom Zeitgeist in der Polemik absieht, ist zu hart und kontrastiert zu stark gegen den hohen sittlichen Ernst unseres Kirchenvaters. Vgl. hierzu Trzcinski 132 f. ↩
Luk. 2, 7. ↩
Gemeint ist das Protoevangelium Jakobi, welches das Leben Marias bis in die Jugendjahre Jesu schildert. ↩
