13.
Aus diesen Worten spricht blinde Wut und Torheit, die zum eigenen Verderben ausschlägt. Du sagst, die Mutter des Herrn sei beim Kreuze zugegen gewesen, sie sei dem Jünger Johannes in ihrer einsamen Witwenschaft anvertraut worden, und doch hatte sie nach deiner Ansicht vier Söhne und eine Menge von Töchtern, mit denen sie hätte zusammen leben können. Du nennst sie auch Witwe, obwohl die Schrift diesen Ausdruck nicht gebraucht. Während du alle Beispiele aus den Evangelisten anführst, passen dir allein des Johannes Worte nicht. Du sagst so obenhin, sie sei beim Kreuze des Herrn zugegen gewesen, um den Anschein zu vermeiden, mit Absicht hierüber hinweggeglitten S. 277zu sein. Aber du verschweigst, welche Frauen zugleich mit ihr anwesend waren. Wenn du es nicht wüßtest, dann könnte ich es verzeihen, aber ich sehe, daß du mit Vorbedacht dich darüber hinwegsetzest. Deshalb vernimm, was Johannes sagt: „Es standen aber neben dem Kreuze Jesu Maria, seine Mutter, und die Schwester seiner Mutter, Maria Kleophae, sowie Maria Magdalena“1 , Ohne Zweifel gab es zwei Apostel, die den Namen Jakobus führten, Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und Jakobus, den Sohn des Alphäus. Ist nun nach deiner Meinung Jakobus der Jüngere, den die Schrift als Sohn Maria, aber niemals als Sohn der Mutter des Herrn anführt, ein Apostel oder nicht? Wenn er ein Apostel ist, dann muß es der Sohn des Alphäus sein, der an Jesus glaubte und nicht zu den genannten Brüdern gehörte, von denen geschrieben steht: „Damals glaubten auch seine Brüder nicht an ihn“2 . Wenn er aber kein Apostel ist, sondern irgendein dritter Jakobus, wie kann er dann für einen Bruder des Herrn gehalten werden? Wie kann dann ein dritter zum Unterschied von einem Älteren der Jüngere genannt werden, da die Begriffe älter und jünger nur eine Gegenüberstellung von zwei, aber nicht von drei Personen zulassen? Außerdem bestätigt Paulus, daß der Bruder des Herrn ein Apostel sei, wenn er schreibt: „Drei Jahre später kam ich nach Jerusalem, um den Petrus zu sehen, und blieb fünfzehn Tage bei ihm. Sonst sah ich keinen Apostel, ausgenommen Jakobus, den Bruder des Herrn“3 . Und in demselben Briefe lesen wir: „Und nachdem sie die Gnade erkannt hatten, die mir gegeben worden war, [gaben] Petrus und Jakobus und Johannes, die für Säulen gehalten wurden, [mir die Hand]“4 . Damit du diesen Jakobus nicht für des Zebedäus Sohn ansiehst, schlage die Apostelgeschichte nach. Dieser war nämlich von Herodes bereits hingerichtet worden5 , Es ergibt sich als S. 278Schlußfolgerung, daß jene Maria, welche die Schrift als des jüngeren Jakobus Mutter erwähnt, des Alphäus Gattin gewesen sein muß und die Schwester Maria, der Mutter des Herrn. Der Evangelist Johannes nennt sie Maria Kleophae entweder nach ihrem Vater, oder nach, dem Stammesnamen ihrer Familie oder aus irgendeinem anderen Grunde. Wenn du aber an zwei verschiedene Personen denkst, weil es einmal heißt Maria, die Mutter des jüngeren Jakobus, und ein anderesmal Maria Kleophae, dann wisse, es ist in der Schrift gebräuchlich, denselben Menschen unter verschiedenen. Namen anzuführen. Raguel, des Moses Schwiegervater, heißt auch Jethro6 . Gedeon wird auf einmal Jerobaal genannt, ohne daß vorher eine Begründung für die Namensänderung angegeben wäre7 . Ozias, der König von Juda, führt zur Abwechslung den Namen Azarias8 , der Berg Tabor heißt auch Itabyrium. Ferner trägt der Hermon bei den Phöniziern den Beinamen Sanior, bei den Amorrhäern Sanir9 . Dieselbe Himmelsgegend erscheint unter drei Namen: Nageb, Theman und Darom, wie wir bei Ezechiel sehen10 . Petrus heißt noch Simon und Kephas11 . Judas Zelotes [der Eiferer] wird in einem anderen Evangelium Thaddäus genannt12 . Noch vieles andere, was als Beleg für meine Behauptung anzuführen wäre, wird der Leser selbst sich aus den einzelnen Schriften zusammensuchen können.
Joh. 19, 25. ↩
Joh. 7, 6. ↩
Gal. 1, 18 f. ↩
Gal. 2, 9. ↩
Apg. 12, 2. ↩
Exod. 2, 18; 3, 1. ↩
Richt. 6, 32. ↩
2 Kön. 14, 21. ↩
Deut. 3, 9. ↩
נֶגֶב, תֵּימָן und דָּרוֹם bedeuten alle drei Süden und kommen bei Ezechiel häufiger vor z, B. 21, 2; 47, 19; 48, 28 [Nageb und Theman]; 40, 24 Darom. ↩
Matth. 10, 2; Joh. 1, 42. ↩
Matth. 10, 3. ↩
