Edition
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Vita Pauli
9.
Sed ut propositum persequar, Antonius coepta regione pergebat, ferarum tantum uestigia intuens et eremi latam uastitatem. Quid ageret, quo uerteret gradum?
Iam altera effluxerat dies. Restabat unum, ut deseri se a Christo non posse confideret. Pernox secundas in oratione exegit tenebras, et dubia adhuc luce haud procul intuetur lupam sitis ardoribus anhelantem ad radicem montis inrepere. Quam secutus oculis et iuxta speluncam, cum fera abiisset, accedens, coepit introspicere, nihil curiositate proficiente, tenebris arcentibus uisum. Verum ut Scriptura ait, 'perfecta dilectio foras mittit timorem.' Suspenso gradu et anhelitu temperato callidus explorator ingressus est, ac paulatim progrediens saepiusque subsistens sonum aure captabat. Tandem per caecae noctis horrorem procul lumen intuitus, dum auidius properat, offensum pede lapidem in strepitum concitauit; post cuius sonitum beatus Paulus ostium quod patebat occludens sera obfirmauit.
Tunc uero Antonius pro foribus corruens, usque ad sextam et eo amplius horam aditum precabatur dicens: 'Qui sim, unde, cur uenerim, nosti. Scio me non mereri conspectum tuum; tamen nisi uidero, non recedam. Qui bestias suscipis, hominem cur repellis? Quaesiui et inueni, pulso ut aperiatur. Quod si non impetro, hic, hic moriar ante postes tuos. Certe sepelies uel cadauer.'
Talia perstabat memorans, fixusque manebat.
Ad quem responsum paucis ita reddidit heros:
'Nemo sic petit ut minetur, nemo cum lacrimis calumniam facit. Et miraris si non recipiam, cum moriturus adueneris?'
Sic adridens patefecit ingressum. Quo aperto dum in mutuos miscentur amplexus, propriis se salutauere nominibus; gratiae Domino in commune referuntur.
Übersetzung
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Leben des hl. Paulus, des ersten Einsiedlers (BKV)
9.
Ich will nicht allzu weit abschweifen. Antonius verfolgte die eingeschlagene Richtung weiter. Er sah nichts als die Spuren der wilden Tiere und die weite, breite Wüste. Was tun? wohin den Fuß setzen? Er wußte es nicht. Schon war der zweite Tag vorübergegangen. Eins nur blieb ihm, das Vertrauen, daß Christus ihn nicht verlassen könne. Die zweite Nacht brachte er ganz im Gebet zu. Als es aber anfing zu dämmern, sah er nicht weit eine Wölfin, die vor Durst lechzend am Fuße eines Berges einherschlich. Seine Blicke verfolgten sie, und als das Tier verschwunden war, trat er an die Höhle und blickte hinein. Jedoch blieb seine Neugierde unbefriedigt, da er vor Dunkelheit nicht sehen konnte. Aber eingedenk des Schriftworts: „Die vollkommene Liebe kennt keine Furcht“1 , trat er wie ein vorsichtiger Forscher mit leisem Tritt und verhaltenem Atem ein. Allmählich rückte er vor, öfters Halt machend, um zu horchen, ob irgendein Laut zu vernehmen sei. Endlich schimmerte ihm durch die schaurige Nacht ein Licht entgegen. Eilig schritt er weiter und stieß mit dem Fuß an einen Stein, wodurch ein Geräusch entstand. Der hl. Paulus vernahm es, verschloß den offenstehenden Eingang und legte den Querbalken vor. Da brach Antonius vor der Türe zusammen S. 28und bat bis zur sechsten Stunde, ja darüber hinaus um Einlaß. „Wer ich bin“, sprach er, „woher und warum ich komme, ist dir bekannt. Ich weiß, dich zu suchen bin ich nicht würdig; aber ich werde nicht weichen, bis ich dich gesehen habe. Tiere nimmst du auf, Menschen willst du verstoßen? Gesucht habe ich und gefunden. Ich klopfe an, damit mir geöffnet werde2 ; sollte ich dies nicht erreichen, so will ich hier sterben vor deiner Türe. Dann mußt du wenigstens meinen Leichnam begraben.“
„Solcherlei sprach er und blieb hartnäckig und fest auf dem Posten“3 .
„Antwort gab der Held mit wenigen Worten ihm also“4 .
„Niemand bittet unter Drohungen, niemand mischt seine Tränen mit Beleidigungen. Und du wunderst dich noch, wenn ich dich nicht empfangen will, da du doch nur gekommen bist, um zu sterben.“ Und lachend machte Paulus den Eingang frei. Dann umarmten sie sich, begrüßten sich gegenseitig mit ihren Namen und dankten Gott gemeinschaftlich.