1.
Es ist eine schwierige Aufgabe, für ein kleines Mädchen zu schreiben, das nicht versteht, was man sagt. Man kennt seinen Charakter nicht und setzt sich der Gefahr aus, in der Beurteilung seiner Neigungen in die Irre zu gehen. Nach einem Ausspruche eines berühmten Redners ist man mehr darauf angewiesen, zu loben, was man einst von ihr erwartet, als was sie jetzt ist. 1 Wie soll man ein Kind, das nach Kuchen verlangt, zur Enthaltsamkeit mahnen? Das auf dem Schoße seiner Mutter mit geschwätziger Zunge zu plaudern versucht, dem Honig süßer schmeckt als Worte? 2 Wie soll man ihr die Tiefe apostolischer Lehre vermitteln, wo sie nur ihre Freude an Ammenmärchen hat? Wie soll sie die Geheimnisse der Propheten erfassen, wo sie schon ein strenger Blick der Erzieherin ängstlich macht? Wie soll ihr die Majestät des Evangeliums klar werden, dessen Licht von keinem Menschenverstand voll begriffen wird? Wie kann ich ein Kind zum Gehorsam gegen seinen Vater anleiten, das mit zarter Hand nach der lachenden Mutter schlägt? Darum soll unsere Pacatula diesen Brief erst in späteren Jahren lesen. Inzwischen möge sie sich in den Anfangsgründen des Lesens üben, Silben zusammensetzen, Worte lernen und Sätze bilden. Versprich ihr etwas Zuckerwerk, 3 damit sie mit klarer Stimme ihre Lektion aufsagt, oder sonst eine Süßigkeit. Laß sie frische Blumen pflücken, mit glänzenden Edelsteinen sich die Zeit vertreiben und mit schönen Puppen S. 405 spielen! Daneben soll sie aber auch lernen, mit ihrem zarten Daumen den Faden auszuziehen. Laß sie ihn nur recht oft zerreißen, damit sie nachher damit umzugehen weiß, ohne ihn zu zerreißen. Nach der Arbeit soll sie im Spiele Erholung suchen. Sie soll sich der Mutter an den Hals hängen und den Verwandten Küsse rauben. Versprich ihr eine kleine Belohnung, damit sie Psalmen singt. Was sie lernen muß, soll sie gern lernen, so daß das Lernen nicht zur Arbeit, sondern zum Vergnügen, nicht zum Zwang, sondern zur freudig gewählten Beschäftigung wird.
