Erster Artikel. Die Klugheit des Fleisches ist eine Sünde.
a) Dagegen spricht: I. Die Klugheit ist die erhabenste unter allen moralischen Tugenden. Weder die Gerechtigkeit aber noch die Mäßigkeit noch die Stärke sind in irgend einer Weise Sünde. II. Klug die Mittel für den Zweck ordnen, der erlaubterweise geliebt wird, ist keine Sünde. „Niemand hat aber jemals sein Fleisch gehaßt,“ sagt der Apostel. (Ephes. 5.) Also kann man das Fleisch lieben und für dasselbe sorgen. III. Wie vom Fleische, so wird der Mensch auch vom Teufel und von der Welt versucht. Es wird aber von keiner Klugheit der Welt und des Teufels gesprochen. Also muß man auch nicht von einer Klugheit des Fleisches reden. Auf der anderen Seite ist „die Klugheit des Fleisches ein Feind Gottes“ (Röm. 8.) und Sap. 14. heißt es: „Gott haßt den Gottlosen und dessen Gottlosigkeit.“ Also ist die Klugheit des Fleisches Gottlosigkeit d. h. Sünde.
b) Ich antworte, die Klugheit beschäftige sich mit den Mitteln zu einem Zwecke. Klugheit des Fleisches heißt also ebensoviel als das Fleisch und sein Wohl ausschließlich zum letzten Endzwecke des ganzen Lebens machen. Das aber ist Sünde; denn das ist Unordnung mit Bezug auf den letzten Endzweck des menschlichen Lebens, der nicht in den Gütern des Körpers, sondern in geistigen Gütern besteht. (I., II. Kap. 2, Art. 5.)
c) I. Die Gerechtigkeit und Mäßigkeit tragen in ihrem Wesenscharakter das Merkmal, infolge dessen die Tugend gelobt wird; nämlich die Gleichmäßigkeit und die Zügelung der Begierlichkeiten; sie können also nicht als Bezeichnung von etwas Schlechtem dienen. „Klugheit“ aber heißt „Fürsorgen“; und dies ist zwar schlechthin genommen immer etwas Gutes, aber durch eine Zuthat kann es zum Schlechten hingezogen werden; wie hier durch die Zuthat: „des Fleisches“. II. Das Fleisch ist wegen der Seele da, wie das Werkzeug wegen des Haupteinwirkenden. In diesen Grenzen kann es geliebt werden. In ihm aber den letzten Endzweck zu sehen, ist Sünde. III. Der Teufel versucht nicht als Gegenstand des Begehrens, sondern insoweit er zur Sünde einladet. Da nun die Klugheit wesentlich die Beziehung zu einem begehrbaren Zwecke besagt, so spricht man in diesem Sinne nicht von einer „Klugheit des Teufels“. Die „Welt“ aber und „das Fleisch“ wird uns als wirklich begehrbar vorgestellt; und so ist die Rede ebenso von einer „Klugheit der Welt“, nach Luk. 16.: „Die Kinder dieser Welt sind klüger“…, wie von einer „Klugheit des Fleisches“, mit welchem Ausdrucke der Apostel dies Beides zusammenfaßt, da ja die äußeren Dinge ebenfalls begehrt werden, um das Fleisch zu befriedigen. Jakob. 3. aber wird nach den drei Arten Versuchungen unterschieden eine „irdische, sinnliche und teuflische Weisheit“ oder Klugheit.
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