Zweiter Artikel. Die Klugheit des Feisches und ihr Verhältnis zur Sünde.
a) Die Klugheit des Fleisches ist immer Todsünde. Denn: I. Sie empört sich gegen das göttliche Gesetz, nach Röm. 8.: „Sie ist nicht Unterthan dem Gesetze Gottes.“ Also ist sie Todsünde. II. Der Apostel fügt hinzu: „… sie kann nicht dem Gesetze Gottes unterworfen sein.“ Also ist die Klugheit des Fleisches eine Sünde gegen den heiligen Geist und nicht nachlaßbar. III. Die Klugheit steht an der Spitze der moralischen Tugenden. Also steht ihr Gegensatz, die Klugheit des Fleisches, an der Spitze der Laster. Auf der anderen Seite hat nicht an sich den Charakter einer Todsünde das, was die Schwere der Sünde vermindert. Vorsichtig aber Sorge tragen für das Fleisch, was doch Klugheit des Fleisches ist, vermindert die Sünde. Also ihrem Wesenscharakter nach ist die Klugheit des Fleisches keine Todsünde.
b) Ich antworte, klug werde jemand genannt entweder schlechthin, nämlich mit Rücksicht auf den letzten Endzweck des ganzen menschlichen Lebens; — oder unter Bedingung, nämlich mit Rücksicht auf einen besonderen Zweck, z. B. den Handel, die Kriegskunst. Wird also die Klugheit des Fleisches so verstanden, daß man im Wohle des Fleisches den letzten Endzweck sieht, so ist dieselbe eine Todsünde; denn dadurch wird der Mensch von Gott abgewendet, da mehrere letzte Endzwecke nicht zugleich bestehen können. Wird aber die Klugheit des Fleisches im zweiten Sinne genommen, mit Rücksicht auf einen besonderen, beschränkten Zweck, so daß der Mensch wohl in etwa ungeregelt in der Sorge für das fleischlich Ergötzliche ist, jedoch deshalb nicht von Gott als dem letzten Endzwecke sich abwendet, so ist dies läßliche Sünde. Bedient sich jedoch der Mensch seines Fleisches zu einem guten Zwecke, wie wenn er ißt, um sein Leben zu erhalten, so ist dies nicht mehr „Klugheit des Fleisches“; denn das Fleisch ist da nicht und in keiner Weise Zweck, sondern nur zweckdienlich.
c) 1. Paulus spricht da von der „Klugheit des Fleisches“, insoweit das „Fleisch“ als letzter Endzweck angesehen wird. II. „Die Klugheit des Fleisches“ selber kann nicht dem Gesetze Gottes Unterthan sein; nicht als ob jemand sich nicht davon bekehren könnte. So kann die Wärme nicht kalt, die Ungerechtigkeit nicht gerecht sein; aber was warm ist, kann kalt werden. Da besteht also keine Sünde gegen den heiligen Geist. III. Jede Sünde steht im Gegensatze zur Klugheit als der Richtschnur in jeder Tugend. Nur dann ist also eine Sünde im höchsten Grade schwer, Wenn sie der Klugheit in etwas sehr Großem entgegensteht.
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