Zweiter Artikel. Wiedererstatten ist zum Heile notwendig.
a) Dies wird geleugnet. Denn: I. Manchmal ist es unmöglich, wiederzuerstatten, was man genommen hat; wie z. B. wenn man jemandem ein Glied verstümmelt hat. Also ist das nicht zum Heile notwendig. II. Bisweilen müßte man eine Sünde begehen, um wiederzuerstatten; wie wenn jemand dem anderen die Ehre genommen, indem er die Wahrheit sagte. Eine Sünde aber ist nie zum Heile notwendig. III. Was geschehen ist, kann nicht ungeschehen gemacht werden. Bisweilen aber verliert jemand seine Ehre bei den Menschen infolge eines ungerechten Tadels, der gegen ihn ausgesprochen worden. Also kann ihm das, was er einmal verloren, nicht wiedererstattet werden; und so ist Wiedererstatten nicht zum Heile notwendig. IV. Wer jemanden in der Erreichung eines Gutes hindert, scheint es ihm fortzunehmen. Wenn aber jemand den anderen hindert, daß er ein Benefizium oder sonst etwas erreiche, ist er nicht zum Wiedererstatten verpflichtet; und bisweilen kann er dies gar nicht. Auf der anderen Seite sagt Augustin (ep. ad Macedonium): „Wenn das fremde Gut, welches weggenommen wurde und wiedererstattet werden kann, nicht wiedererstattet wird; so besteht da keine wirkliche Reue, sondern eine solche wird geheuchelt. Wie die Sache in Wahrheit liegt, wird die Sünde nicht nachgelassen, wenn das fremde Gut nicht wiedererstattet wird; falls wie ich sagte, dies möglich ist.“
b) Ich antworte, Wiedererstatten sei eine Thätigkeit der Tauschgerechtigkeit, welche im Wiedervergelten des Gleichen besteht. Wiedererstatten bedeutet also die Zurückgabe jener Sache, welche ungerechterweise hinweggenommen worden ist; denn durch das Wiederzurückgeben wird die Gleichheit hergestellt. Da also Gerechtigkeit bewahren zum Heile notwendig ist, so erfordert ebenso unser Heil, daß das ungerecht Entrissene wiedererstattet werde.
c) I. Wo das Gleiche nicht wiedererstattet werden kann, muß man das Mögliche wiedererstatten; wie z. B. in dem, was die Gott und den Eltern geschuldete Ehre betrifft. (8 Ethic. ult.) Hat jemand den anderen um ein Glied verstümmelt, so muß er ihm wiedererstatten in Geld oder sonstwie, je nach den Verhältnissen beider Personen nach dem Urteile eines gerechten Menschen. II. Man kann dem anderen den guten Namen nehmen: 1. wahrhaftiger- und gerechterweise, wie wenn in gebührender Ordnung das Verbrechen jemandes offenbar macht; und da ist er zur Wiederherstellung des guten Namens nicht verpflichtet; — 2. falscher- und ungerechterweise; und da muß er den guten Namen wieder herstellen, indem er die Wahrheit sagt; — 3. wahrhaftiger- aber ungerechterweise, wenn er gegen die gebührende Ordnung das Verbrechen des anderen offenbar gemacht hat; und da ist er zur Wiederherstellung des guten Namens verpflichtet, soweit er dies kann, ohne eine Lüge zu sagen; z. B. indem er sagt, er hätte ungerechterweise über denselben Böses gesagt. Kann er den guten Namen nicht wiederherstellen, so muß er anders, wie eben gesagt worden, Ersatz leisten. III. Die Thätigkeit des schmähenden selber kann nicht ungeschehen gemacht werden; aber ihre Wirkung, die Verminderung der Hochachtung vor der betreffenden Person, kann aufgehoben werden, indem man ihr mehr als sonst Ehren erzeigt. IV. Es kann jemand in der Erreichung einer Präbende oder eines Benefiziums hindern: 1. gerechterweise, um der Ehre Gottes und des Nutzens der Kirche willen, damit ein würdigerer dasselbe erhalte; und dieser ist nicht zu irgend welcher Schadloshaltung verpflichtet; — 2. ungerechterweise, aus Haß oder Rachsucht, nur um den anderen zu schädigen; und hat er so eingewirkt, daß die Präbende nicht einem würdigen verliehen würde, ehe die Sache festgestellt war; so ist er zu irgend welcher Schadloshaltung verpflichtet, aber nicht auf der Stufe der Gleichheit, da jener die Präbende noch nicht hatte und somit noch vielfache Hindernisse eintreten konnten. War es aber bereits beschlossene Sache, dem betreffenden die Präbende zu geben und hat jemand aus ungebührlichem Beweggrunde veranlaßt, daß dieser Entschluß rückgängig gemacht wurde; — so ist er zu gänzlicher Schadloshaltung verpflichtet, freilich nach seinen Kräften.
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