Achter Artikel. Kein Raub kann ohne Sünde sein.
a) Das kann er wohl sein. Denn: I. Rauben heißt „mit Gewalt nehmen.“ Das kann man aber Feinden gegenüber. Ambrosius nämlich sagt (1. de Abraham. 3.): „Wenn die Beute in den Händen des Siegers ist, soll man Alles gemäß der militärischen Zucht dem Könige aufbewahren;“ nämlich um es rechtmäßig zu verteilen. Also ist der Raub in manchen Fällen gerecht. II. Was jemandem nicht gehört, kann man ihm mit Fug und Recht entreißen. Was aber die Ungläubigen besitzen, das ist ihr Eigentum nicht. Denn Augustin sagt (ep. ad Vinc. Donatistam): „Fälschlich nennt ihr diese Dinge euer Eigentum; da ihr sie zu Unrecht besitzet und nach den Gesetzen der irdischen Könige sie aufgeben sollet.“ Also kann man die Ungläubigen berauben, ohne zu sündigen. III. Die Fürsten der Erde erpressen Vieles von ihren Unterthanen mit Gewalt, was jedenfalls Raub ist. Es wäre doch aber zu viel, wenn man sagte, sie sündigten darin; denn dann müßte man sie beinahe alle verdammen.
b) Ich antworte, der Raub schließe Zwang und Gewalt in sich ein, wodurch jemandem gegen alle Gerechtigkeit das Seinige genommen werden soll. Nur aber wer mit der öffentlichen Gewalt bekleidet ist, hat die Befugnis, durch Zwang auf jemanden einzuwirken. Wer auch immer also als bloße Privatperson mit Gewalt einem anderen das Seine entreißt, der begeht einen Raub. Den Fürsten aber, die an erster Stelle mit der öffentlichen Gewalt bekleidet sind, liegt es ob, Hüter der Gerechtigkeit zu sein. Nur also gemäß der Richtschnur der Gerechtigkeit dürfen sie Zwang anwenden, sei es daß sie gegen die Feinde kämpfen oder die Verbrecher im Staate strafen. Was dann auf diese Weise mit offener Gewalt genommen wird, ist kein Raub; denn es ist nicht gegen die Gerechtigkeit. Erpressen sie etwas gegen die Norm der Gerechtigkeit, so begehen auch sie wirklichen Raub.
c) I. Ist der Krieg gerecht, so wird die Beute, die mit Gewalt erworben wird, Eigentum des Siegers. Es kann da nur gesündigt werden, wenn man etwa aus Habgier oder überhaupt aus schlechter Absicht nimmt; wenn man nämlich im Innern nicht so sehr aus Liebe zur Gerechtigkeit wie aus Liebe zur Beute kämpft, nach Augustin (de verb. Dom. 19.): „Wegen der Beute kriegen, ist Sünde.“ Ist der Krieg ungerecht, so ist die Beute thatsächlicher Raub und erheischt Wiedererstattung. II. Insoweit bei den einzelnen Ungläubigen die Gesetze der irdischen Fürsten, also das öffentliche Recht, ihren Besitz als ungerecht erklären, sollen sie ihn verlieren; sonst nicht. III. Insofern die Fürsten von den Unterthanen, auch unter Anwendung von Gewalt, verlangen, was dem Gemeinbesten nach der Gerechtigkeit entspricht; ist da von Raub keine Rede. Was mit Unrecht erpreßt wird, ist Raub. Deshalb sagt Augustin (4. de civ. Dei 4.): „Entferne die Gerechtigkeit, was sind da die Königreiche anders wie große Räuberhöhlen? Oder sind nicht die Räuberbanden kleine Königreiche?“ Und bei Ezechiel 22.: „Ihre Fürsten, in ihrer Mitte, sind wie Wölfe, die auf Beute ausgehen.“' Solche Fürsten müssen zurückerstatten und sündigen schwerer wie die Räuber; denn sie thun mit ihrem Vorgehen mehr Schaden dem Gerechtigkeitssinne und sind eine große Gefahr für das Gemeinwesen.
