Siebenter Artikel. Der Geiz ist eine Haupt- und Todsünde.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Der Geiz steht im Gegensatze zur Freigebigkeit, welche die rechte Mitte bestimmt im Gebrauche von Geld und Gut; und zur Verschwendung, welche diese Mitte überschreitet. Aber weder die Freigebigkeit ist eine Haupttugend noch die Verschwendung ein Hauptlaster. Also ist auch der Geiz keine Hauptsünde. II. Haupt- und Todsünde ist jene Sünde, welche einen leitenden Zweck hat, so daß zu diesem der Zweck anderer Laster hingeordnet wird. Der Reichtum hat aber nicht seinem Wesen nach den Charakter des Zweckes, sondern des Zweckdienlichen. (S. oben und 1 Ethic. 5.) III. Gregor (15. moral. 14.) sagt: „Der Geiz entspringt bisweilen aus Selbsterhebung und bisweilen aus Furcht. Denn weil manche meinen, es werde ihnen das zum Leben Notwendige mangeln, erlauben sie, daß der Geist sich zum Geize wende; und andere werden zum Begehren des Gutes anderer entflammt, weil sie mächtiger und angesehener sein wollen.“ Also kommt der Geiz von anderen Sünden und ist nicht die Quelle anderer Sünden. Auf der anderen Seite zählt Gregor (31. moral. 17.) den Geiz unter den sieben Hauptsünden auf.
b) Ich antworte, Hauptsünde werde eine Sünde genannt, weil daraus andere Sünden entstehen gemäß dem Zwecke als dem maßgebenden Grunde. Weil nämlich der betreffende Zweck sehr erstrebenswert erscheint, geht der Mensch von demselben aus; um vieles Andere, Gutes und Schlechtes, zu thun. Soweit aber etwas mehr an dem Erstrebenswerten in der schließlichen Glückseligkeit teilnimmt, also mehr vom letzten Endzwecke an sich hat; soweit ist es in höherem Grade erstrebenswert. Eine der Bedingungen für die Glückseligkeit ist nun die, daß die Glückseligkeit an sich, kraft ihres Wesens, genügend sei; sonst würde sie das Begehren nicht endgültig beruhigen. Gerade dieses Genügen scheint aber Geld und Gut im höchsten Grade einzuschließen und somit zu versprechen, wie Boëtius 3. de Consol. sagt. Denn „des Geldes bedienen wir uns,“ nach 5 Eethic. 5. „wie eines Pfandes, um alles Andere zu besitzen;“ und deshalb heißt es Ekkle. 10.: „Dem Gelde gehorcht Alles.“ Danach ist also der Geiz eine Haupt- und Todsünde.
c) I. Die Tugend findet ihre Vollendung gemäß der Vernunft, das Laster gemäß der Hinneigung des sinnlichen Begehrens. Nicht aber auf das Nämliche richtet sich die Vernunft und das sinnliche Begehren; und somit braucht nicht ein Hauptlaster im Gegensatze zu stehen zu einer Haupttugend. Obgleich also die Freigebigkeit keine Haupttugend ist, weil sie nicht auf ein hauptsächliches maßgebendes Gut der Vernunft geht; — so ist doch der Geiz ein Hauptlaster; denn er geht auf das Geld, welches einen gewissen Vorrang hat unter den sinnlich wahrnehmbaren Gütern. Die Verschwendung aber besitzt keinen an erster Stelle erstrebbaren Zweck, sondern scheint mehr aus einem Mangel an Vernunft hervorzugehen: „Der Verschwender ist mehr leer und eitel wie schlecht,“ sagt Aristoteles. (4 Ethic. 1.) II. Insoweit das Geld nützlich ist, um alle sichtbaren Güter zu erlangen, umschließt der Geiz gewissermaßen Alles und hat danach eine Ähnlichkeit mit der Glückseligkeit; — mag es auch selbst wieder zu Anderem wie zum Zwecke Beziehung haben. III. Eine Hauptsünde kann bisweilen von anderen Sünden herkommen Kap. 36, Art 4 ad I.; und I., II. Kap. 84, Art. 4); während dagegen ihr gewöhnlich andere Sünden entspringen.
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