Erster Artikel. Der Geiz oder die Habsucht ist eine Sünde.
a) Das wird bestritten. Denn: I. Habsucht wird so genannt, weil sie äußere Güter zu haben sucht. Das ist aber keine Sünde. Denn die äußerlichen Dinge sind von Natur dem Menschen unterworfen; und von Natur erstrebt sie der Mensch Mittel seines Lebensunterhaltes. II. Der Geiz richtet sich nicht gegen Gott; denn weder zu den theologischen Tugenden noch zur Tugend der Religion oder Gottesverehrung steht er im Gegensatze. Er ist nicht gegen die eigene Person; denn das sind die Laster der Unkeuschheit und der Gaumenlust, wie der Apostel sagt 1. Kor. 6.: „Wer unkeusch ist, sündigt gegen seinen eigenen Körper.“ Der Geiz wendet sich endlich nicht gegen den Nächsten; denn daß der Mensch zurückhält was ihm gehört, dies thut keinem ein Unrecht. Also ist der Geiz keine Sünde. III. Was mit der Natur selber gegeben ist, das kann keine Sünde sein. Der Geiz aber folgt von Natur dem Alter und überhaupt den natürlichen Fehlern; Also ist er keine Sünde. Auf der anderen Seite heißt es Hebr. ult,: „Die Sitten seien ohne Geiz; sie sollen zufrieden sein mit dem, was sie haben.“
b) Ich antworte, wo auch immer etwas Gutes sich findet, da bestehe es in den gebührenden Grenzen. Wird das bestimmte Maß überschritten oder nicht erreicht, so folgt daraus ein Übel. Das Maß aber oder die Grenzen für alles Zweckdienliche bildet der Zweck; wie für die Medizin das bestimmende Maß die Gesundheit ist. (1 Polit. 6.) Da also die äußeren Güter den Charakter des zum Zwecke Dienlichen und Nützlichen haben und nur in diesen Grenzen wahre Güter sind, so ist das Überschreiten dieses Maßes, nämlich daß sie dem Menschen gemäß seinem Stande und seiner Lage zum Lebensunterhalte dienen, offenbar Sünde; und wird dies „Geiz“ oder „Habsucht“ genannt, wenn jemand über das gebührende Maß hinaus sie erwerben oder aufbewahren will; so daß Habsucht ist: „die ungeregelte Sucht, zu haben.“
c) I. Als Zweckdienliches wird das Äußerliche von Natur aus durch den Menschen begehrt. Der Geiz aber überschreitet dieses Maß. II. Soweit der Geiz ohne Maß erwirbt oder zurückhält die äußern Güter, welche für alle da sind, ist er eine Sünde gegen den Nächsten; denn da zeitliche Güter nicht von vielen zugleich besessen und gebraucht werden können, so kann der eine nicht großen Überfluß daran haben, außer wenn der andere darbt. Insoweit ferner der geizige ungeregelte Neigungen zu Geld und Gut hat und daran sich ohne Maß ergötzt, sündigt er gegen sich selbst; denn die innere Neigung, wenn auch nicht der Körper, ist ungeordnet. Und insoweit wegen eines zeitlichen Gutes dabei das ewige Gut verachtet wird, ist Sünde gegen Gott vorhanden. III. Die natürlichen Neigungen sollen gemäß der Vernunft geregelt werden. Wenn somit auch die Greise wegen der Schwäche in ihrer Natur begieriger sind im Suchen nach äußeren Hilfsmitteln, wie ja ebenso jeder bedürftige Aushilfe sucht für seine Notdurft; — so sind sie doch damit nicht entschuldigt, wenn sie ohne Maß nach Reichtum suchen.
