Achter Artikel. Die Kinder des Geizes.
a) Verrat, Trug, Täuschung, Meineid, Unruhe, Gewaltthätigkeit, Hartherzigkeit gegen arme sind nicht die Kinder des Geizes. Denn: I. Der Geiz steht gegenüber der Freigebigkeit; Verrat, Trug, Täuschung aber der Klugheit, der Meineid der Religion, die Ruhelosigkeit der Hoffnung oder der Liebe, die im geliebten Gute ruht, die Gewaltthätigkeit der Gerechtigkeit, die Hartherzigkeit der Barmherzigkeit. Also sind dies keine Kinder des Geizes. II. Verrat, Trug, Täuschung hat denselben Zweck. Also müssen diese drei, wodurch der Mitmensch gleicherweise benachteiligt werden soll, nicht selbständig nebeneinander aufgeführt werden. III. Isidor (com. in Deut. 16.) nennt als Kinder des Geizes: „Lüge, Trug, Diebstahl, Meineid, Begehr nach schimpflichem Gewinne, falsches Zeugnis, Gewaltthätigkeit, Unmenschlichkeit, Raubsucht.“ IV. Aristoteles bezeichnet 4 Ethic. 1. viele Arten Sünde, die zur Habsucht gehören; er zählt als Kinder derselben auf: „die sparsamen, zurückhaltenden, schmutzig handelnden, schimpflich annehmenden, von der Unkeuschheit, dem Wucher lebenden, Glücksspieler, Räuber, Leichendiebe.“ Also ist die erwähnte Aufzählung nicht genügend. V. Die Tyrannen sind am meisten gewaltthätig. Aristoteles aber sagt von ihnen: „Sie verwüsten Städte, berauben das Heilige, sind jedoch nicht geizig.“ Also ist Gewaltthätigkeit kein Kind des Geizes. Auf der anderen Seite steht die Autorität Gregors. (31. moral. 17.)
b) Ich antworte, unter dem Gesichtspunkte des Begehrens nach dem Zwecke des Geizes, also nach dem Gelde, müssen die Kinder des Geizes gewürdigt werden. 1. Nun hält der geizige im Übermaße fest an dem Besessenen; und daraus entspringt die Hartherzigkeit, denn er will nichts den armen geben. 2. Ist der geizige übermäßig im Annehmen oder Erwerben von Geld und Gut; und zwar
a) in der Hinneigung und so ist die Unruhe ein Kind des Geizes, denn „der geizige ist nie gesättigt am Gelde“ (Ekkle. 5.);
b) im Wirken; und so folgt aus dem Geize die Gewaltthätigkeit, welche mit Gewalt fremdes Gut an sich reißt; dann die List, welche, wenn sie in Worten besteht Täuschung heißt und bei hinzugefügtem Eide Meineid; besteht es im Thun, so ist das dann, soweit es sich um Personen handelt, Verrat, geht es bloß um Dinge, Betrug.
c) I. Zu dem Zwecke des einen Lasters können Beziehung haben Sünden, die zu einer anderen „Art“ gehören. Denn etwas Anderes ist es, daß ein Laster Kinder; und etwas Anderes, daß es Gattungen, die also an derselben „Art“ teilnehmen, hat. Es brauchen also die Kinder einer Hauptsünde nicht zur selben Sündenart zu gehören. II. Der Unterschied dieser drei ist eben gegeben worden. III. Die Lüge und das falsche Zeugnis ist in der „Täuschung“ nach Gregor enthalten. Der Diebstahl ist eine besondere Gattung von „Trug“. Das Begehren nach schimpflichem Gewinne ist in der „Unruhe“ enthalten; die Raubsucht in der „Gewaltthätigkeit“; die Unmenschlichkeit ist dasselbe wie „Hartherzigkeit“. IV. Was da Aristoteles aufzählt, das sind mehr die untergeordneten Gattungen, welche an der allgemeinen „Art“ der Sünde des Geizes teilnehmen, wie Kinder des Geizes. „Sparsam“ nämlich wird jemand genannt, weil er wenig giebt; „zurückhaltend“, wenn er nichts giebt. Wer mit großer Schwierigkeit giebt, handelt „schmutzig“; denn Kleinliches giebt er unter großen Umständlichkeiten. Nimmt er aber oder erwirbt in schimpflicher Weise, indem er die niedrigsten Sklavenarbeiten thut oder vom Laster lebt oder von dem, was er umsonst geben sollte, wie die Wucherer; oder erwirbt er in ungerechter Weise durch Gewalt, wie die Räuber, Leichendiebe, oder indem er Freunde bestiehlt wie die Glücksspieler; dann sind damit die letzten Gattungen im Aristoteles aufgeklärt. V. Wie die Freigebigkeit nur auf geringere Geldsummen sich richtet, so auch der Geiz. Tyrannen heißen deshalb nicht mehr geizig, sondern ungerecht.
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