Achter Artikel. Das Verhältnis mit Rücksicht auf die Vollkommenheit zwischen Seelsorgepriestern und Ordensleuten.
a) Die Seelsorger sind vollkommener wie die Ordensleute. Denn: I. Chrysostomus (de sacerd. cap. 4.) sagt: „Bringe mir einen Mönch herbei, um zu viel zu sagen, so fromm wie Elias; er ist nicht mit dem Priester zu vergleichen, der für das Volk aufgestellt und mitten in diesem lebend und gezwungen so vieler Sünden zu tragen, stark und unbeweglich verbleibt…“ „Wenn mir jemand die Wahl ließe, wo ich lieber Gott gefallen wollte, im priesterlichen Amte oder in der Einsamkeit der Mönche, ohne Vergleich würde ich erwählen, wie ich früher sagte…“ „Wenn jemand das Priesteramt gut verwaltet und mit demselben den Schweiß der Mönche vergleicht, so ist da dieselbe Entfernung wie zwischen einem Könige, und einem Privatmanne.“ II. „Deine fromme Sorgfalt möge erwägen,“ schreibt Augustin an Valerius (ep. 21.), „daß in diesem Leben und zumal zu unserer Zeit, es, nichts Schwierigeres, Mühevolleres, Gefährlicheres gebe wie das Bischofs oder Priesteramt. Bei Gott aber dagegen giebt es auch nichts Seligeres;, wenn man nämlich so streitet, wie unser Herrscher es anbefiehlt.“ III. An Aurelius schreibt der nämliche heilige Lehrer (ep. 48.): „Allzusehr ist es schmerzlich, wenn wir die Mönche zu solchem Hochmute aufstacheln sehen und daß sie die Kleriker einer so großen Schmach für wert erachten, daß sie sagen, ein schlechter Mönch sei noch immer ein guter Geistlicher; da ja umgekehrt ein guter Mönch noch lange nicht einen guten Geistlichen ausmacht… Man muß den Dienern Gottes d. i. den Mönchen durchaus nicht den Weg dazu freimachen, daß sie meinen, sie würden leichter zu etwas Besserem, nämlich zur geistlichen Würde erwählt, wenn sie schlechter geworden sind“ (d. h. dem Mönchstande den Rücken gekehrt haben). Also sind die im Klerikerstande vollkommener wie die Mönche. IV. Vom höheren Stande darf man nicht zu einem niedrigeren übergehen. Aus dem Ordensstande aber kann man zur priesterlichen Seelsorge übergehen, nach 16. Qq. 1. cap. 28.: „Wenn ein Mönch kraft des Verdienstes eines ehrwürdigen Lebens des Priestertums würdig erscheint und der Abt, unter dessen Vorsteherschaft er für Christum streitet, bittet, man möge ihn zum Priester weihen; so soll er vom Bischofe dazu erwählt und an einem vom Bischofe zu bestimmenden .Orte geweiht werden.“ Und Hieronymus (ep. 4.): „So lebe im Kloster, daß du verdienest, Priester zu werden.“ Also. V. Die Seelsorgepriester sind den Bischöfen, die doch im vollkommensten Stande sind, ähnlicher und stehen ihnen näher wie die Ordensleute. VI. Die Tugend richtet sich auf Schwieriges und Gutes. Schwieriger aber ist es, gut zu leben als Seelsorger wie als Ordensmann. Also steht der erstere höher wie der letztere. Auf der anderen Seite heißt es 19 Qq. 2. cap. Duae: „Wer unter dem. Bischofe Seelsorge ausübt und weltlich lebt, vom heiligen Geiste aber angetrieben in einem Kloster seine Seele retten will, den soll der Vernunft selber gemäß das öffentliche Gesetz nicht hindern.“ Vom heiligen Geiste angetrieben aber wählt man nicht das Unvollkommenere.
b) Ich antworte, eine solche Prüfung des Vorranges könne nur von jener Seite her statthaben, nach welcher hin die betreffenden Dinge voneinander verschieden sind; und nicht in dem, worin sie übereinkommen. Nun muß man bei den Seelsorgepriestern beachten den Stand, die Weihe und das Amt. Zum Stande gehört es, daß sie Personen sind, die in der Welt und nicht im Kloster leben; zur Weihe, daß sie Priester sind; zum Amte, daß sie Seelsorge haben. Nehmen wir also einen an, der dem Stande nach Ordensmann, der Weihe nach Priester, dem Amte nach Seelsorger ist, wie dieser Fall bei manchen Regularpriestern eintritt; so wird er mit Bezug auf den ersten Punkt höher stehen, im übrigen wird er den anderen gleich sein. Stellt sich aber der Unterschied so, daß der erste mit dem zweiten in der Weihe übereinkommt, und nicht im Stande und im Amte, wie die Ordensleute, die Priester sind, jedoch keine Seelsorge haben; so werden beide rücksichtlich der Weihe gleich sein, rücksichtlich des Amtes aber wird der eine tiefer und rücksichtlich des Standes höher stehen. Um schlechthin also zu urteilen, muß erwogen werden, was von beiden höher ist: der Stand oder das Amt. Das hängt nun ab vom Charakter des Guten und von dem des Schwierigen. Von seiten des Guten steht offenbar der Ordensstand höher wie das Seelsorgeamt. Denn die Ordensperson widmet ihr ganzes Leben dem Streben nach Vollkommenheit; der Seelsorgepriester aber widmet nicht wie der Bischof sein ganzes Leben der Sorge für die Seelen und auch nicht kommt ihm wie dem Bischofe die Hauptseelsorge zu, sondern einzelne beschränkte Obliegenheiten sind ihm anvertraut. Der Ordensstand also steht zum Seelsorgeamte im nämlichen Verhältnisse wie das Allgemeine zum Besonderen und wie das vollständige Opfer des ganzen Menschen, wie das holocaustum, zum Opfer eines Teiles, (Gregor. 20. in Ezech.) Und deshalb heißt es (19 Qq. I. cap. 1.): „Den Klerikern, welche den Vorsatz haben, Mönch zu werden, soll seitens der Bischöfe der Eintritt in einen Orden ohne Schwierigkeit gestattet werden; denn sie begehren nach einem besseren Leben.“ Jedoch muß dieser Vergleich berücksichtigt werden gemäß der „Art“ des betreffenden Werkes. Was die Person betrifft, so kann der einzelne Seelsorgepriester bisweilen höhere Liebe in sich tragen und somit verdienstvoller wirken wie eine Ordensperson, die nicht so hohe Liebe zu Gott in sich trägt. Wird jedoch auf die Schwierigkeit Rücksicht genommen, so ist es schwerer, in der Seelsorge tugendhaft zu leben wie im Kloster auf Grund der äußeren Gefahren; wogegen andererseits die Schranken der Ordensregel eine besondere Schwierigkeit bilden für die Ordensperson und danach der „Art“ des betreffenden Werkes nach der Ordensstand schwieriger ist. Ermangelt aber, wie dies z. B. bei den Laienbrüdern der Fall ist, eine Ordensperson der priesterlichen Weihe, so ragt offenbar der Charakter der Weihe mit Rücksicht auf die Würde weit über den Ordensstand hervor. Denn durch die heilige Weihe wird einer zu überaus hohen Dienstleistungen zugelassen, vermittelst deren man Christo selbst im Altarssakramente dient. Dazu aber ist größere Heiligkeit im Innern erfordert als der Ordensstand solche für sich verlangt. „Der Mönchsstand nämlich muß den priesterlichen Weihen folgen und in deren Nachahmung zu Göttlichem aufsteigen,“ sagt Dionysius. (6. de eccl. hier.) Schwerer also sündigt ein Geistlicher, der kraft der heiligen Weihen zum Dienste des Altars zugelassen ist, wenn er etwas gegen die Heiligkeit thut; wie eine Ordensperson, die nicht die heiligen Weihen hat; obgleich letztere zur Beobachtung der besonderen Ordensregel verpflichtet ist, wozu Geistliche nicht verpflichtet sind.
c) I. Chrysostomus spricht in diesem ganzen Buche von der bischöflichen Würde; er tröstet darin sich und den Basilius, weil sie beide zu Bischöfen erwählt worden waren. Doch abgesehen davon kann man auch sagen, er spreche von den mit dem Priesteramte verbundenen Schwierigkeiten. Denn er schickt voraus (cap. 6.): „Wenn der Steuermann mitten in den Meeresfluten sein Schiff aus dem Sturme zu retten vermag, dann wird ihm mit Recht das Zeugnis eines guten Steuermannes zu teil.“ Und er schließt nachher: „Der Mönch ist nicht zu vergleichen mit jenem, der mitten im Volke lebend fest und unverrückbar bleibt. Denn dieser letztere hat sich ebensogut zu lenken gewußt in der inneren Ruhe wie mitten im Sturme.“ Daraus geht nur hervor, daß das Priesteramt gefahrvoller ist wie der Mönchsstand. In der größeren Gefahr aber standhaft bleiben ist das Zeichen vollendeterer Tugend. Jedoch zeigt dies ebenfalls eine gewisse Größe der Tugend an, daß jemand um die Gefahren zu meiden, in den Ordensstand eintritt. Deshalb sagt Chrysostomus nicht, er wolle lieber im Priesteramte sein wie in der Einsamkeit der Mönche; sondern, er wolle lieber Gott gefallen in jenem wie in dieser, weil dies ein Beweis größerer Tugend ist. II. Auch Augustin spricht von der Größe der Schwierigkeiten im Priesteramte und somit von der größeren Tugend, die notwendig ist, um es gut zu verwalten. III. In dieser Stelle vergleicht Augustin Mönche und Geistliche mit Rücksicht auf die Weihe, die ersteren als solchen fehlt; nicht mit Rücksicht auf den Stand, resp. auf das Amt. IV. Wer aus den Ordensleuten zur Seelsorge berufen wird, erreicht etwas, was er früher noch nicht hatte; nämlich das seelsorgerliche Amt, und verliert nicht das, was er hatte, nämlich den Ordensstand: „Werden solche, die lange Zeit in einem Orden zugebracht haben, nachher mit der Seelsorge betraut, so bestimmen wir hiermit, daß sie ihren bisherigen Stand nicht verlassen sollen.“ Die Seelsorger aber, welche in den Ordensstand treten, verzichten auf das Seelsorgeamt, um einem vollkommeneren Stande sich zuzuwenden. Damit also selbst ist der Vorrang des Ordensstandes bezeugt. Daß aber Ordensleute, die Laien sind, zu den heiligen Weihen zugelassen werden, ist offenbar ein Fortschreiten zu etwas Besserem, was die Worte des Hieronymus anzeigen: „So lebe im Kloster, daß du verdienest, Geistlicher zu werden.“ V. Mit Rücksicht auf die Seelsorge nur stehen die Seelsorgepriester den Bischöfen näher; mit Rücksicht aber auf die beständige Verpflichtung welche zum Stande der Vollkommenheit gehört, stehen ihnen die Ordensleute näher. VI. Die Schwierigkeit, welche von der Erhabenheit des betreffenden Werkes kommt, erhöht die Vollkommenheit der Tugend. Die Schwierigkeit aber, welche von äußeren Hindernissen herrührt, vermindert manchmal die Vollkommenheit der Tugend, wenn einer nämlich nicht bis zu dem Punkte die Tugend liebt, daß er die Hindernisse derselben vermeiden will, nach 1. Kor. 9.: „Jeder, welcher im Wettstreite kämpft, enthält sich von Allem;“ — manchmal jedoch ist sie ein Zeichen größerer Tugend, wenn nämlich jemandem unvermutet oder von einer notwendigen Ursache her Hindernisse der Tugend aufstoßen und er trotzdem nicht die Tugend verläßt. Im Ordensstande nun sind die Schwierigkeiten größer mit Rücksicht auf die Erhabenheit des betreffenden Werkes; während bei denen, die in der Welt leben, jene Schwierigkeiten größer sind, die von Hindernissen der Tugend kommen und welche vorsichtig die Ordensleute gemieden haben.
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