Dritter Artikel. In Christo war nicht der Glaube.
a) In Christo war die Tugend des Glaubens. Denn: I. Der Glaube steht im Bereiche der Tugend höher wie die moralischen Tugenden; z. B. wie Mäßigkeit, welche Christus hatte. Also besaß Er um so mehr den Glauben. II. Christus lehrte keine Tugenden, die Er selber nicht übte, nach Act. 1.: „Er fing an zu thun und zu lehren.“ Er war aber „der Gründer und Vollender des Glaubens,“ nach Hebr. 12. Also hatte Er ihn. III. Was unvollkommen ist, findet sich nichl in den seligen. Der Glaube aber ist in den seligen; denn zu Röm. 1. justitia Dei revelatur) sagt die Glosse: „Vom Glauben an die Worte und an die Hoffnung schreiten wir vor zum Glauben an die Thatsachen und an das Geschaute.“ Also war Glaube in Christo. Auf der anderen Seite ist der Glaube nach Hebr. 11. „der Beweis des Nichterscheinenden.“ Nichts aber war nichterscheinend für Christum, zu dem gesagt wird (Joh. ult.): „Du weißt Alles.“ Also war in Christo kein Glaube.
b) Ich antworte, Gegenstand des Glaubens sei etwas Göttliches, was nicht geschaut wird. Der Glaube aber wie jeder Zustand empfängt seinen Wesenscharakter vom Gegenstände. Wo sonach der Gegenstand des Glaubens fehlt, da fehlt auch der Glaube. Christus aber schaute Gott dessen Wesen nach vom ersten Augenblicke seiner Empfängnis an (unten Kap. 34.). Also in Ihm konnte kein Glaube sein.
c) I. Der Gegenstand des Glaubens ist erhabener wie der Gegenstand der moralischen Tugenden; deshalb steht er als Tugend höher. Weil der Glaube aber mit Bezug auf diesen Gegenstand einen Mangel in sich einschließt, so war er nicht in Christo. Die moralischen Tugenden schließen einen solchen Mangel mit Bezug aus ihren Gegenstand nicht ein; und deshalb waren sie in Christo. II. Das Verdienst des Glaubens besteht darin, daß aus Gehorsam Gott gegenüber der Mensch zu etwas zustimmt, was er nicht sieht, nach Röm. 1.: „Um dem Glauben zu gehorchen unter allen Völkern in seinem Namen.“ Solchen Gehorsam gegen Gott aber hatte Christus im vollendetsten Maße, nach Phil. 2.: „Er ward gehorsam bis zum Tode.“ Und so lehrte Er nichts, was zu einem Verdienste Bezug hat, ohne es nicht vorher in vollkommenster Weise zu thun. III. Die Glosse (Aug. 2 Qq. evang. q. 39.) sagt ebendaselbst, „geglaubt werde, was nicht geschaut wird.“ Sie nimmt also in der angeführten Stelle „Glauben“ in uneigentlicher Weise; nämlich für die Zuverlässigkeit und Festigkeit im Anhängen.
