Fünfter Artikel. In Christo waren die Gaben des heiligen Geistes.
a) Dies wird bestritten. Denn: I. Die Gaben werden verliehen zur Vollendung und somit als Beistand für die Tugenden. Wo also, wie in Christo, die Tugenden in völlig vollendeter Weise sind, da erscheinen Gaben als überflüssig. II. Christo gebührt es, Gaben zu verleihen, nach Ps. 67.: „Er verlieh Gaben den Menschen.“ Also hat Er nicht nötig, deren zu empfangen. III. Die Weisheit, Wissenschaft, das Verständnis, der Rat (oder die Klugheit) gehören in das Gebiet der Betrachtung hier auf Erden; so daß sie (6 Ethic. 3.) unter den Tugenden in der Vernunft aufgezählt werden. Christus aber hatte die Anschauung, wie sie im ewigen Heim, im Himmel, ist. Also hatte Er nicht derartige Gaben. Auf der anderen Seite sagt zu Isai. 4, 1. (apprehendent septem mulieres virum unum) die Glosse: „d. i. die sieben Gaben des heiligen Geistes werden Christum ergreifen.“
b) Ich antworte, die sieben Gaben seien eigentlich Vollendungen der Vermögen, insoweit diese geeignet sind, vom heiligen Geiste her in Thätigkeitgesetzt zu werden. Offenbar aber wurde die Seele Christi auf das vollendetste vom heiligen Geiste in Thätigkeit gesetzt, nach Luk. 4.: „Jesus aber, voll des heiligen Geistes, ist zurückgegangen vom Jordan und wurde getrieben vom Geiste in die Wüste.“ Also waren in vollendetster Weise in Ihm die Gaben des heiligen Geistes.
c) I. Was gemäß dem Charakter seiner Natur in sich vollendet ist, bedarf des Beistandes von seiten desjenigen, der eine höhere Natur hat; wie der Mensch, so vollendet er sein mag, des Beistandes Gottes bedarf. Und so mögen die Tugenden, als vollendend die Vermögen der Seele gemäß der Leitung seitens der Vernunft, noch so vollendet sein; sie bedürfen des Beistandes der Gaben, welche die Vermögen vollenden, insofern sie in Bewegung gesetzt sind vom heiligen Geiste. II. Nicht unter demselben Gesichtspunkte hat Christus Gaben empfangen und verliehen. Er verleiht deren als Gott; Er empfängt deren als Mensch. Deshalb sagt Gregor der Große (2. moral. ult.): „Der heilige Geist hat die Menschheit Christi niemals verlassen, von dessen Gottheit Er ausgeht. III. In Christo waren beide Arten Kenntnis, die des Schauens, wie sie im Himmel ist; und die auf Erden. Jedoch sind auch im Himmel in einer gewissen Weise noch immer die Gaben des heiligen Geistes (l., II. Kap. 86, Art. 6.).
