Zweiter Artikel. Ohne die wirkliche äußerliche Spendung der Taufe kann jemand selig werden.
a) Keiner kann ohne Taufe selig werden. Denn: I. Der Herr sagt: „Wer nicht wiedergeboren ist … kann nicht eintreten in das Himmelreich. Das Himmelreich aber ist die Seligkeit.“ II. Nach dem lib. de eccl. dogm. 74. „kann kein Katechumen selig werden, wenn er auch in guten Werken gestorben ist außer durch das Martyrium, in welchem sich entwickelt die ganze Kraft der Taufe.“ Also kann um so weniger ein anderer ohne Taufe selig werden. III. Das Sakrament der Taufe ist zum Heile notwendig; also kann das Heil nicht ohne dasselbe sein. Auf der anderen Seite sagt Augustin (sup. Levit. 48.): „Die unsichtbare Heiligung vollzog sich in manchen und hat genützt ohne die sichtbaren Sakramente. Die sichtbare Heiligung jedoch, wie sie in den sichtbaren Sakramenten sich vollzieht, kann wohl da sein; aber sie kann ohne die unsichtbare nichts nützen.“
b) Ich antworte: Wenn die Taufe fehlt sowohl der thatsächlichen Spendung wie dem Wunsche nach, so ist dies offenbar eine Verachtung des Sakramentes für jene, die den Gebrauch der Vernunft haben; und diese können nicht selig werden. Wenn aber die Taufe fehlt der thatsächlichen Spendung nach, jedoch begehrt wird und nicht vollzogen werden kann weil der Tod zu frühe eingetreten ist; so kann das Heil erreicht werden wegen des Verlangens nach der Taufe, das vom Glauben kommt, welcher durch die Liebe wirkt. Gott heiligt dann den Menschen innerlich; denn seine Kraft ist durch die Sakramente nicht gebunden. Deshalb sagt Ambrosius (de obitu Valentiniani) von Valentinianus, der als Katechumen gestorben war: „Den ich wiedererzeugen sollte, habe ich verloren; er hat aber die Gnade, die er ersehnte, nicht verloren.“
c) I. Wie 1. Kön. 16. gesagt wird „sieht der Mensch das, was außen erscheint, Gott aber sieht das Herz.“ Jener nun, der wahrhaft verlangt, durch die Taufe wiedergeboren zu werden aus dem Wasser und dem heiligen Geiste, ist wohl im Herzen wiedergeboren, wenn auch nicht dem Körper nach, wie der Apostel sagt (Röm. 2.): „Die Beschneidung des Herzens ist im Geiste, nicht im Buchstaben; ihr Lob kommt nicht von Menschen, sondern von Gott.“ II. Keiner kommt zum ewigen Leben, der nicht frei ist von Schuld und Strafe. Diese Befreiung nun vollzieht sich nach allen Seiten hin im Martyrium und in der Taufe; das Martyrium ersetzt vollauf die Taufe. Wenn aber ein Katechumen das Verlangen nach der Taufe hat, würde er doch sonst nicht sterben in guten Werken, die nicht ohne in Liebe thätigem Glauben sein können; so gelangt er nicht sogleich in den Himmel, sondern muß die Strafe noch erleiden für seine vergangenen Sünden; „er wird gerettet, jedoch wie durch das Feuer“ (1. Kor. 3.). III. Wenigstens dem ernsten Willen nach muß jemand die Taufe erhalten.
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