Vierter Artikel. Die den Sündern zu spendende Taufe.
a) Die Sünder müssen getauft werden. Denn: I. Zach. 13. heißt es: „An jenem Tage wird ein offener Quell sein für das Haus David und für die, so zu Jerusalem wohnen; damit rein gewaschen werde der Sünder und die blutbefleckte.“ Das wird aber verstanden vom Lebensquell der Taufe. II. Nach Matth. 9. „bedürfen die kranken des Arztes, nicht die gesunden.“ Die geistige Medizin aber gegen die Krankheit der Sünde ist die Taufe. III. Kein Beistand soll den Sündern versagt werden. Durch die Taufe aber wird den Sündern geistiger Beistand geleistet; denn sie erhalten in ihr den sakramentalen Charakter, der da ist eine gewisse Vorbereitung für die Gnade. Auf der anderen Seite sagt Augustin (tract. 72. in Joan.): „Der dich geschaffen hat ohne dich, wird dich nicht rechtfertigen ohne dich.“ Der Sünder aber, der sich nicht bekehren will, wirkt nicht mit Gott mit, sondern thut vielmehr das Gegenteil. Also vergeblich würde ihm das Sakrament der Taufe gespendet werden.
b) Ich antworte: Kommt es bei dem Ausdrucke „Sünder“ nur auf die Schuld und die Flecken der vergangenen Sünden an, so ist ihm die Taufe zu spenden; denn dazu ist die Taufe eingesetzt, nach Ephes. 5.: „Er hat sie gereinigt durch das Bad des Wassers im Worte des Lebens.“ Will aber dieser Ausdruck „Sünder“ sagen, daß der betreffende verharren will in der Sünde, so ist die Taufe nicht zu spenden. Denn es werden 1. durchdie Taufe die Menschen in den Leib Christi eingegliedert, nach Koloss. 3, 37.; wer aber weiter sündigen will hat mit Christo nichts gemein, nach 2. Kor. 6.; und danach „kann niemand, der den freien Gebrauch seiner Vernunft hat, ein neues Leben beginnen, wenn ihn nicht das alte gereut“ (Aug. de poenit.); — es soll 2. in den Werken Christi und der Kirche nichts Zweckloses, Unnützes geschehen; wer aber weiter sündigen will, kann auch durch die Taufe nicht rein werden; vielmehr wäre die Taufe und ein solcher Wille ein Gegensatz wie Sein und Nichtsein; — es darf 3. in den sakramentalen Zeichen nichts Falsches sein; es wäre dies aber eine ganz falsche Bezeichnung, daß die Taufe bedeute: Reinigen; und der Sünder nicht rein werden will. Also darf offenbar solchen die Taufe nicht gespendet werden.
c) I. Diese Stelle spricht von Sündern, welche die Sünde lassen wollen. II. Der himmlische Arzt wirkt in zweifacher Weise: l. innerlich im Willen; und so bereitet Er den Willen vor, daß derselbe das Gute wolle und das Böse hasse; — 2. durch seine Knechte und nicht durch Sich selbst; und so wirkt Er durch die Sakramente, die da nach außen hin vollenden, was innerlich angefangen ist. Demgemäß ist also die Taufe nur jenem zu spenden, bei dem irgend ein Zeichen der innerlichen Bekehrung erscheint; wie ja auch Medizin für den Körper desjenigen nur gegeben wird, bei dem ein Zeichen natürlichen Lebens erscheint. III. Die Taufe ist das Sakrament des Glaubens. Der durch die Liebe nicht geformte, also formlose Glaube aber genügt nicht zum Heile und ist auch kein Fundament für das geistige Leben (Aug. de fide et oper. 16.). Also kann das Sakrament der Taufe kein Heil bringen, wo der Wille zu sündigen vorherrscht, der die vollendende Form für den Glauben ausschließt. Es kann aber niemand durch das Einprägen des sakramentalen Charakters zur Gnade vorbereitet werden, so lange in ihm der Wille zu sündigen vorhält; da „Gott niemanden zur Tugend zwingt“ (Dam. 2. de orth. fide 30.).
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