Dritter Artikel. Das Aufschieben der Taufe.
a) Es ist gut, die Taufe aufzuschieben. Denn: I. Leo der Große sagt (ep. 4. c. 5.): „Zwei Tage sind vom Römischen Papste zur Spendung der Taufe bestimmt; wir bitten deshalb euere Liebe, keine anderen Tage dazu zu benützen.“ Also muß die Taufe bis zu diesen Tagen verschoben werden. II. Im Konzil von Agatha (can. 34.) heißt es: „Die Juden, deren Bosheit oft zu dem zurückkehrt, was sie ausgespieen haben, sollen, wenn sie um Glauben sich bekehren wollen, acht Monate unter den Katechumenen die Schwelle der Kirche betreten; und erst wenn man sicher ist, daß sie aufrichtigen Herzens kamen, sollen sie getauft werden.“ Man darf also die Menschen nicht sogleich taufen. III. „Dies ist die ganze Frucht, daß die Sünde hinweggenommen werde,“ heißt es Isai. 17. Diese Frucht aber wird sicherer erreicht, wenn die Taufe verschoben wird. Denn 1. sind die Sünden schon dadurch schwerer, daß sie nach erhaltener Taufgnade begangen werden und „somit das Blut des Testamentes für unrein erachtet wird, in dem man geheiligt worden“ (Hebr. 10.); und 2. werden durch die Taufe alle vergangenen Sünden getilgt, nicht aber die künftigen. Je länger also die Taufe verschoben wird, desto mehr Sünden tilgt sie. Auf der anderen Seite heißt es Ekkli. 5.: „Schiebe es nicht auf, dich zum Herrn zu bekehren, von Tag zu Tag.“
b) Ich antworte, hier sei zuvörderst zu unterscheiden zwischen Kindern und erwachsenen. Handelt es sich um Kinder, so darf die Taufe nicht aufgeschoben werden. Denn von einem längeren Unterrichte und dem daraus zu erwartenden Nutzen kann da keine Rede sein; und zudem ist immer die Todesgefahr zu fürchten, da für sie ein anderes Heilmittel es nicht giebt.Den erwachsenen aber ist zum Heile bereits die Sehnsucht nach der Taufe. Und deshalb darf ihnen nicht sogleich die Taufe gespendet werden, sondern ist da ein Aufschub bis zu gewisser Zeit am Platze: 1. aus Vorsicht, damit die Kirche nicht getäuscht werde, nach 1. Joh. 4.: „Glaubet nicht jedem Geiste, sondern prüfet die Geister, ob sie von Gott sind,“ — 2. damit die zu taufenden zu ihrem eigenen Nutzen über den Glauben belehrt werden und Ermunterung empfangen für ein christliches Leben; — 3. damit das Sakrament mehr Ehrfurcht einpräge, wenn es in aller Feierlichkeit gespendet wird und es so andächtiger empfangen werde. Dieser Aufschub ist beiseite zu lassen: 1. Wenn die zu taufenden hinreichend geprüft und unterrichtet erscheinen, wie Philippus (Act. 8.) sogleich den Eunuchen und Petrus den Kornelius (Aot. 10.) taufte; — 2. wenn Krankheit oder Körperschwäche besteht, die den Tod fürchten läßt. Deshalb sagt Leo (l. c. cap. 6.): „Diejenigen, welche durch Todesgefahr, Krankheit, Belagerung, Schiffbruch, Verfolgung bedrängt sind, können zu jeder Zeit getauft werden.“ Stirbt jemand aber, ohne daß die Taufe ihm gespendet werden konnte, während er die von der Kirche bestimmte Zeit abwartete; so wird er selig, aber „wie durch Feuer“. Schiebt er jedoch ohne die Erlaubnis der kirchlichen Oberen und ohne eine notwendige Ursache die Taufe über die erwähnte Zeit hinaus auf, so sündigt er. Diese Sünde nun wird ebenfalls wie die anderen getilgt durch die darauffolgende Reue, welche an die Stelle der Taufe tritt.
c) I. Jenes Gebot des Papstes gilt für die erwachsenen nur. II. In jenem Kanon wird jedoch hinzugefügt: „Laufen sie (die Juden) innerhalb der bestimmten Zeit eine Gefahr (zu sterben), so können sie getauft werden.“ III. Die Taufe hindert auch durch die Gnade die künftigen Sünden, daß sie nicht geschehen. Und dies ist die Hauptursache. Deshalb schreibt Johannes (I. 2.): „Kinderchen; dies schreibe ich euch, damit ihr nicht sündiget.“
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