Elfter Artikel. Die Taufe der Kinder im Mutterleibe.
a) Solche Kinder können getauft werden. Denn: I. Wirksamer ist nach Röm. 5. die Gnade Christi wie die Sünde Adams. Die Kinder im Mutterleibe aber unterliegen der Verdammnis wegen der Sünde Adams. Also können sie weit mehr durch die Taufe gerettet werden.II. Das Kind im Mutterleibe ist etwas von der Mutter, gleichsam ein Teil derselben. Würde nun die Mutter getauft, so wäre zugleich Alles, was zu ihrem Sein gehört, getauft und somit auch das Kind. Also können solche Kinder getauft werden. III. Der ewige Tod ist ein größeres Übel wie der körperliche. Von zwei Übeln aber ist das geringere zu wählen. Kann also das Kind im Mutterleibe nicht getauft werden, so wäre es besser, der Mutterleib würde geöffnet und so mit Gewalt das Kind herausgezogen und getauft, als daß es ewig verdammt werde ohne Taufe sterbend. IV. Es kommt vor, daß ein Körperteil des Kindes zuerst herauskommt, wie dies bei Thamar (Gen. 38.) gelesen wird, wo einer der Zwillinge die Hand zuerst herausstreckte. Da also kann ein solcher Teil getauft werden, wenn Todesgefahr droht. Auf der anderen Seite „wird niemand wiedergeboren, der nicht zuerst geboren ist“ (Aug. ep. ad Dardan.).
b) Ich antworte, zur Taufe gehöre mit Notwendigkeit, daß der Körper einigermaßen abgewaschen wird mit Wasser. Das Kind aber im Mutterleibe kann in keiner Weise abgewaschen werden; man wollte denn sagen, das Wasser, mit dem der Körper der Mutter im genannten Falle gewaschen würde, käme dem Kinde zugute. Das kann aber nicht sein. Denn 1. ist die Seele des Kindes eine von der Seele der Mutter verschiedene; — 2. ist der Körper des Kindes, insoweit er bereits beseelt ist, unterschieden von dem Körper der Mutter, so daß, mag auch die Mutter getauft werden, diese Taufe nicht zugute kommen kann dem Kinde. Deshalb sagt Augustin (6. cont. Julian. 14.): „Gehörte zum Mutterleibe das, was in ihm empfangen wird, so daß es als ein Teil desselben zu betrachten wäre; so würde nicht das Kind später getauft worden sein, dessen Mutter in der Todesgefahr getauft worden ist, als sie dasselbe in sich trug. Wird also das Kind thatsächlich diesfalls getauft, so ist damit ausgesprochen, es gehörte, als es im Mutterleibe war, nicht als ein bloßer Teil zum mütterlichen Körper.“
c) I. Die Kinder im Mutterleibe führen noch nicht ein eigenes selbständiges Leben wie die anderen Menschen. Also können sie nicht menschlichem Einwirken unterstehen, so daß sie durch den Dienst der Menschen die Sakramente empfingen zu ihrem Heile. Sie unterstehen jedoch dem Einwirken Gottes, der kraft eines Gnadenvorrechts sie heiligen kann, wie ja andere im Mutterleibe geheiligt worden sind. II. Das innerliche Organ der Mutter ist zu dieser zugehörig kraft der natiirlichen Verbindung, in der ein Teil mit dem Ganzen steht. Das Kind im Mutterleibe aber gehört zur Mutter, wie ein besonderer Körper mit dem anderen verbunden werden kann.III. „Man soll nichts Böses thun zu einem guten Zwecke“ (Röm. 3.). Also darf man nicht die Mutter töten, damit das Kind getauft werde. Ist aber die Mutter gestorben, während das Kind lebt, so muß man den Mutterleib öffnen, damit man das Kind taufe. V. Droht der Tod nicht, so soll man warten, bis das ganze Kind herausgekommen ist. Tritt jedoch zuerst das Haupt heraus, so muß man bei Todesgefahr taufen und ist nachher nicht von neuem zu taufen, wenn die Todesgefahr vorübergeht; denn im Haupte haben alle Sinne ihren Sitz. Dasselbe scheint nun gethan werden zu müssen bei jedem beliebigen Gliede, das zuerst heraustritt. Weil jedoch in keinem sonstigen äußeren Gliede die Vollständigkeit des Lebens in der Weise waltet wie im Haupte; so scheint es manchen wegen des Zweifels gut, daß, mag auch ein solcher anderer Teil bereits abgewaschen sein, später, falls etwa der ganze Körper heraustritt und so das Kind vollständig geboren ist, unter dieser Formel getauft werde: „Wenn du nicht getauft bist, so taufe ich dich.“
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