Zehnter Artikel. Gegen den Willen der Eltern dürfen Kinder der Juden oder ungläubigen nicht getauft werden.
a) Dem steht Folgendes entgegen: I. Den Kindern kommt man zu Hilfe bei Lebensgefahr des Körpers, auch gegen den boshaften Willen der Eltern. Also kann man dies um so mehr bei der Gefahr des ewigen Todes.II. Die Kinder der Knechte sind Knechte. Die Juden aber sind Knechte der Könige und Fürsten, wie auch die übrigen ungläubigen. Also ohne Unrecht zu thun können die Fürsten befehlen, daß die betreffenden Kinder getauft werden. III. Jeder Mensch kommt mehr Gott zu, von dem er die Seele hat; wie den Eltern, von denen er den Leib hat. Also ist es nicht ungerecht, wenn Kinder ihren ungläubigen Eltern genommen werden, damit man sie Gott weiht. Auf der anderen Seite heißt es im vierten Konzil von Toledo (c. 57.): „Rücksichtlich der Juden schreibt die heilige Synode vor, es soll niemandem mehr wegen des Glaubens Gewalt angethan werden. Denn nicht gegen ihren Willen sind sie zu heilen, sondern mit ihrem Willen; damit so durchaus in Allem die Gerechtigkeit gewahrt werde.“
b) Ich antworte: Haben die Kinder bereits den freien Gebrauch der Vernunft, so fangen sie an, frei kraft eigener Gewalt zu entscheiden in dem was göttliches oder natürliches Recht ist. Deshalb können sie dann, auch gegen den Willen der Eltern die Taufe empfangen, wie ebenso eine Ehe schließen. Haben sie aber noch nicht den freien Gebrauch der Vernunft, so stehen sie nach dem natürlichen Rechte unter der Obsorge der Eltern. Danach wird auch von den Kindern in der alten Zeit gesagt, sie seien gerettet worden im Glauben der Eltern. Also würde es gegen die natürliche Gerechtigkeit sein, solche Kinder gegen den Willen der Eltern zu taufen; wie es ebenso gegen die Gerechtigkeit wäre, jemanden gegen seinen Willen zu taufen. Zudem bestände für solche Kinder der ungläubigen im gegebenen Falle die Gefahr, daß sie leicht zum Unglauben wieder zurückkehrten wegen der natürlichen Liebe zu den Eltern. Demgemäß bringt es die Gewohnheit der Kirche nicht mit sich, daß solche Kinder gegen den Willen der Eltern getauft werden.
c) I. Vom Tode darf jemand nicht befreit werden gegen den Ausspruch des bürgerlichen Rechts, wonach der Richter z. B. diesen zum Tode verurteilt hat. Und ebenso darf man nicht gegen das natürliche Recht, wonach die Kinder unter der Obsorge der Eltern stehen, dieselben befreien wollen vom ewigen Tode. II. Die Juden sind dem bürgerlichen Rechte nach Knechte der Fürsten; dadurch wird aber nicht ausgeschlossen die Ordnung des natürlichen oder göttlichen Rechts. III. Der Mensch wird zu Gott hingeordnet kraft der Vernunft, durch die er Gott erkennen kann. Also wird das Kind, ehe es den freien Gebrauch der Vernunft hat, zu Gott hingeordnet durch die Vernunft der Eltern, deren Obsorge es kraft der Natur untergeben ist; und sonach sind gemäß der Bestimmung der Eltern ihm göttliche Dinge mitzuteilen.
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