Zweiter Artikel. Die Güte oder die Bosheit in der menschlichen Handlung leitet sich vom Gegenstande ab, auf den sie gerichtet ist.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Der Gegenstand, auf den eine Handlung sich richtet, ist eine Sache. „In den Sachen aber ist kein Übel,“ wie Augustin sagt (3. de doctr. chr. 12.), „sondern darin, daß der Mensch sie sündhaft gebraucht.“ Nicht also vom Gegenstande kommt das Gute oder die Bosheit im menschlichen Handeln. II. Der Gegenstand steht zur Handlung im selben Verhältnisse wie der bestimmbare Stoff, aus dem durch die Form etwas werden soll. Die Güte einer Sache aber stammt nicht aus dem Stoffe, der in ihr sich findet; sondern vielmehr aus der bestimmenden Form, von welcher das bestimmte thatsächliche Sein kommt. Also „Güte“ und „Bosheit“ kommt im menschlichen Handeln nicht vom Gegenstande. III. Der Gegenstand, auf den das thätig wirksame Vermögen sich richtet, steht zur Handlung des letzteren im Verhältnisse wie die Wirkung zur Ursache. Die „Güte“ der Ursache aber hängt nicht von der Wirkung ab, sondern vielmehr ist das Umgekehrte der Fall. Auf der anderen Seite steht Osee 9. geschrieben: „Verabscheuungswert sind sie geworden, wie das, was sie geliebt haben.“ Verabscheuenswert aber wird der Mensch wegen der Bosheit seines Handelns. Also ist diese Bosheit gemäß den schlechten Sachen, die er liebt; und ebenso verhält es sich mit dem „Guten“.
b) Ich antworte, daß, wie bereits gesagt, das Gute und das Böse im Handeln sowie in den übrigen Dingen erschlossen wird aus der Vollendung des gebührenden Seins oder dem Mangel daran. Was aber zuerst zur Vollendung des Seins zu gehören scheint, ist jenes Moment, von woher dem Dinge das Wesen der Gattung verliehen wird. Nun stammt für jedes Ding im Bereiche der Natur das Gattungswesen aus seiner Wesensform. Ebenso hat jede Handlung ihr Gattungswesen aus dem Gegenstande, auf den sie gerichtet ist; wie die Bewegung aus dem Zielpunkte, auf den sie geht. Und gleichwie deshalb die Güte eines Dinges im Bereiche der Natur erwogen wird in erster Linie und in grundlegender Weise gemäß seiner Wesensform, nach der es auf seiner Gattungsstufe ist, so erhält auch eine Handlung in erster Linie und in grundlegender Weise ihre moralische Güte aus dem ihr zukömmlichen Gegenstande; weshalb diese Güte auch von Manchen genannt wird: „Das Gute der Art nach“ (in genere), gut nämlich durch die ihm zu Grunde liegende Sache selber. Und gleichwie in den Dingen, soweit es auf ihre Natur ankommt, das erste Übel ist, wenn das gewordene Ding nicht seine wesentliche Gattungsform erreicht, wie z. B. wenn nicht ein Mensch erzeugt wird, sondern etwas Anderes anstatt eines Menschen; so stammt in den “moralischen Handlungen das Übel in erster Linie aus dem Gegenstande, wie z. B. etwas nehmen, was Einem nicht gehört. Und dies wird dann ein Übel „der Art nach“, malum ex genere, genannt, insofern hier „Art“ in der Bedeutung von „Gattung“ genommen wird, in der Weise wie wir mit dem Ausdrucke „die Menschenart“ oder „das Menschengeschlecht“ die ganze Gattungsstufe „Mensch“ bezeichnen.
c) I. Die Dinge da außen sind wohl an und für sich „gut“; besitzen jedoch nicht immer die gebührende Proportion, stehen nicht im gehörigen Verhältnisse zu dieser oder jener Handlung. Insofern sie also als Gegenstand derartiger Handlungen angesehen werden, haben sie nicht immer den Charakter des Guten. II. Der Gegenstand verhält sich nicht in derselben Weise wie der bestimmbare Stoff, daß aus ihm heraus die Handlung erwüchse, wie aus dem Marmor das Standbild; — er ist nicht die materia ex qua, sondern die materia circa quam. Mit dem Gegenstande beschäftigt sich die betreffende Handlung; und so hat er gewissermaßen den Charakter der bestimmenden Form, insofern er der Handlung ihre Wesensstufe anweist. III. Nicht immer ist der Gegenstand, auf welchen die menschliche Handlung sich richtet, der Gegenstand eines wirksam thätigen Vermögens. Denn gerade das Begehrvermögen, der Wille, ist das Princip der menschlichen Handlungen; und ist trotzdem gewissermaßen leidend oder bestimmbar, insoweit es bestimmt und bethätigt wird vom Begehrenswerten her. Auch das ist nicht richtig, daß die Gegenstände der wirksam thätigen Vermögen immer den Charakter einer Wirkung haben. Denselben haben sie vielmehr erst dann, wenn sie durch die einwirkende Handlung verändert worden sind; wie die genommene Nahrung, erst nachdem sie in ihrem Zustande verändert ist, als die Wirkung des Nährvermögens erscheint; ist sie noch nicht in ihrem Zustande verändert, so steht sie zum Nährvermögen im Verhältnisse wie der Stoff, mit dem das Thätigsein beschäftigt ist, wie die materia circa quam. Daraus aber selbst daß der Gegenstand in einem gewissen Sinne die Wirkung des thätig wirksamen Vermögens ist, folgt, daß derselbe den abgrenzenden Zielpunkt für die Handlung bildet und daß er infolge dessen der letzteren Form und Gestalt oder ihre Wesensstufe verleiht; denn jede Bewegung hat ihr bestimmtes Wesen vom abgrenzenden Zielpunkte. Und mag auch die Güte der Handlung nicht verursacht werden von der Güte der Wirkung aus, so wird doch aus dem Grunde eine Handlung als gut bezeichnet, daß eine gute Wirkung von ihr ausgehen kann; und demgemäß ist die Proportion oder das Verhältnis selber der Handlung zum Gewirkten der wesentlich bestimmende Grund ihrer Güte.
