Sechster Artikel Das Wesen von „gut“ und „schlecht“ hängt ab vom Zwecke.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Die Handlungen haben ihr inneres bestimmtes Wesen vom Gegenstande her. Der Zweck aber steht außerhalb des Bereiches des Gegenstandes. II. Was zu etwas von außen her hinzutritt, ein Accidens, kann nicht das Wesen dessen herstellen, dem es zufällt. Der Handlung aber fällt es, nachdem sie bereits besteht oder unter Voraussetzung ihres Bestandes, einfach zu, eine Beziehung zu haben zu irgend welchem Zwecke; wie z. B. daß jemand Almosen giebt eitlen Ruhmes halber. Also vom Zwecke aus existiert kein Grund, daß eine Handlung ihr bestimmtes Wesen habe gemäß dem Charakter des „gut“ und „schlecht“. III. Dem Wesen nach verschiedene Handlungen können auf ein und denselben Zweck hin bezogen werden; wie z. B. die Akte verschiedener Tugenden und verschiedener Laster dem Zwecke der Eitelkeit dienen. Also vom Zwecke aus kann keinerlei „gut“ oder „schlecht“ entnommen werden, was einen Wesensunterschied begründen würde. Auf der anderen Seite ist oben gezeigt worden, daß die menschlichen Handlungen ihr Wesen vom Zwecke ableiten. Also das „Gute“ und „Schlechte“, was dem Zwecke entspricht, macht einen Unterschied im Wesen der betreffenden Handlungen.
b) Ich antworte; die Handlungen des Menschen werden als „menschliche Handlungen“, actus humani, bezeichnet, insoweit sie freiwillige sind. Im Akte des Willens aber findet sich eine doppelte Thätigkeit: eine innere und eine äußere. Und jede dieser beiden Thätigkeiten hat ihren Gegenstand. Der Zweck nun ist im recht eigentlichen Sinne der Gegenstand des innerlichen freien Aktes (insoweit dieser nämlich innerhalb des eigentlichen Willensvermögens auf das Allgemeine, auf das Gute hin gerichtet und somit an sich indifferent ist gegenüber dem Einzelnen unter den verschiedenen Gütern); während die nach außen gerichtete, die äußerliche Thätigkeit sich um den Gegenstand herum bewegt. Wie also diese äußerliche Thätigkeit ihr Wesen entnimmt dem Gegenstande, um den herum sie sich bewegt, so ist dieses selbe für den innerlichen Akt der Fall mit Rücksicht auf den Zweck. Was nun auf seiten des Willensvermögens steht, das verhält sich als bestimmendes, als Formalmoment zu dem, was auf seiten des äußerlichen Altes steht. Denn der Wille gebraucht die Glieder und Organe wie Werkzeuge, um thätig zu sein; und die äußerlichen Akte tragen auch nicht den Charakter des Moralischen außer insoweit sie freiwillige sind, also vom Willen ausgehen. Und sonach ist im Wesen des freien Aktes der Zweck das bestimmende, formale Moment und der Gegenstand das bestimmbare, materiale; so daß Aristoteles mit Recht sagt: „Wer da stiehlt, damit er einen Ehebruch begehe, ist vielmehr Ehebrecher wie Dieb.“
c) I. Der Zweck trägt den Charakter des Gegenstandes; wie eben gesagt. II. Die Beziehung zu solch bestimmten Zwecke ist zufallend (zufällig) für die äußerliche Thätigkeit; nicht aber für die innerliche, welche das bestimmende Moment enthält für die erstere. III. Im genannten Falle ist Verschiedenheit im Wesen der äußerlichen Akte; aber die innerliche Thätigkeit hat nur ein Wesen, weil nur einen Zweck.
