Achtzehntes Kapitel. Über den moralischen Charakter des Guten oder des Bösen in den menschlichen Handlungen.
Überleitung: Convertere, anima mea, in requiem tuam: quia Dominus beneficit tibi. (Ps. 144.) „Kehre ein, meine Seele, in deine Ruhe: denn der Herr hat dir wohlgethan.“ Wer wird nicht mit allen Fibern seines Herzens nach dieser Ruhe hingezogen! Wer ruft nicht aus mit dem ehrwürdigen Verfasser der Nachfolge Christi: „O überaus selige Wohnung in der Stadt da oben! O hellleuchtender Tag der Ewigkeit, den keine Nacht verdunkelt, vielmehr die höchste Wahrheit immer durchstrahlt! O Tag fortwährender Freuden, ununterbrochener Sicherheit, wo niemals das Gegenteil zu fürchten ist!“ Nach Ruhe sehnt sich das menschliche Verlangen, „wie der Tagarbeiter sich, wenn er müde ist von Arbeit, den Lohn vorstellt, den er empfangen wird;“ „wie der Hirsch nach dem Schatten sich sehnt.“ (Job. 7.) Die ganze Natur des Menschen ist getragen von diesem unverwüstlichen Verlangen nach Ruhe. Und mag der Eroberer eine ganze Welt zu Füßen liegen haben und der Weise mit klarem Blicke in die Gesetze der Natur schauen, die offen liegen vor ihm wie ein Buch; — je mehr er sich dem vorgesteckten Ziele zu nähern scheint, desto ferner erscheint es ihm; desto mehr ruft es in ihm: „Kehre ein, meine Seele, in deine Ruhe“; ohne daß er wüßte, wo diese Ruhe finden. An der Wahrheit kann sich die Seele freuen auf dieser Erde; wahrhafte Kenntnisse kann sie erwerben; sie freut sich da an dem Allgemeinen, was in ihr ist und was zugleich die allumfassende Richtschnur für die Dinge außen bildet. Aber Wahrheit ist nur ein gewisses Gut, nur ein einzelnes Glied in der Ruhe ohne Grenzen, welche wie ein Schatten der Seele folgt und wie eine Leuchte ihr vorausgeht und sie aneifert. Von dieser Sehnsucht nach dem allgemeinen Gute getrieben steht die Seele auf mitten in der Nacht dieses Lebens: „In meiner Lagerstätte mitten in der Nacht habe ich gesucht, wen meine Seele liebt: Ich suchte ihn und ich fand ihn nicht.“ (Cantic. 3.) Nein, meine Seele! Denke nach so viel du willst, denke hin und her, keines der Güter, die du kennst und nicht einmal alle zusammen, nichts aus dem, was deine Sinne vorstellen, was deine Vernunft erfaßt, bietet dir wahrhafte Ruhe. Im Gegenteil; nur immer unruhiger wird dein Geist, je mehr einzelne Güter sich vorstellen. „Ich will aufstehen,“ sprichst du, „ich will die Stadt umwandeln: in den Straßen, auf den Plätzen will ich suchen, wen meine Seele liebt: ich suchte ihn und habe ihn nicht gefunden.“ Arbeiten will die Seele; sie will durch die That erforschen, ob nicht, wenn sie wirkliche Güter wahrhaft in Händen hat, sie Ruhe finden werde. Sie gebietet dem Willen, nach einzelnen Gütern zu streben; sie befiehlt der Vernunft, die Mittel zu deren Besitze zu finden; sie schreibt den Sinnenvor, sich gemäß den einzelnen Verhältnissen darauf zu richten. „Im Schweiße des Angesichtes arbeiten die Glieder,“ daß die Seele „ihr Brot esse“, daß sie ihre Ruhe finde; „kehre ein, meine Seele,“ meinen sie ermüdet, vereint mit allen Seelenkräftcn, „nun in deine Ruhe.“ „Ich suchte ihn und habe ihn nicht gefunden,“ ist die traurige Antwort. „Es fanden mich die Wächter, welche die Stadt bewachen: Habt ihr gesehen, wen meine Seele liebt? Kaum war ich bei ihnen vorüber gegangen, da fand ich, wen meine Seele liebt.“ Selbst die Lehrer der heiligen Kirche, welche die Gottesstadt bewachen, können in all ihrer aus der Natur geschöpften Weisheit und selbst nicht in der unter dem Lichte des Glaubens leuchtenden Natur, der nach Ruhe lechzenden Seele die tiefste Sehnsucht erfüllen. Sie vermögen kein Gut in der Natur anzugeben, welches Ruhe, unabänderliche Ruhe im Menschengeiste verbreiten könnte. Auch sie schweigen! Nein; doch nicht! Sie erst festigen in der fragenden Seele die Überzeugung, daß sie vergeblich in dieser Welt nach Ruhe suche. Sie schweigen; wenn es gilt, die Natur und das Wesen des einzigen beseligenden Gutes zu schildern. Aber sie sind beredt; wenn es gilt, die Thore der Natur weit zu öffnen, daß ja die Seele „vorübergehe“ vor der ganzen Stadt dieser Welt. Ist sie einmal vor allem Geschaffenen „vorübergegangen;“ da wird in ihr lebendig der Schöpfer. Wie weit öffnet in dieser Untersuchung, in welcher der vernünftige Wille heraustritt aus der eigenen Natur, aus dem Innern der Vernunft, aus dem reinen Sinnenleben in die äußere Welt, damit ihm diese gehorchen lerne; — wie weit öffnet hier der engelgleiche Lehrer die Thore der Schöpfung im und außer dem Menschen, damit recht klar werde die Entfernung zwischen den einzelnen vorübereilendcn vergänglichen Gütern und dem allumfassenden Gute, das den Geist, der nach Allem dürstet, einzig befriedigen kann. Hören wir nur, wie Thomas an jedes Ausgangsthor der Schöpfung Wachen stellt, die niemals einschlafen. „Der erste Willensakt ist nicht einer Anordnung der Vernunft gedankt, sondern folgt aus dem Antriebe der Natur.“ Das ist die Wache, die vor dem Willen steht, soweit dieser der Seele ihr Gut verschaffen möchte. In deiner Gewalt, o Mensch, steht es nicht; deinen Kräften entspricht es nicht, das letzte, voll beruhigende Gut zu finden. Die Natur deiner Fähigkeiten enthält es nicht in sich, daß du sie ändern kannst; sie ist außerhalb deiner Gewalt. Wie du es nicht ändern kannst, daß das Auge sieht und nicht hört, wie aber gerade die natürliche Beziehung des Auges zur Farbe die Grundlage für alles Sehen ist und für alle Macht, die du über das Sehen besitzest; — so ist dein Wille auf die Ruhe ohne Ende und Schranken von Natur aus gerichtet und in deiner Macht steht es bloß, ihm zeitlich und örtlich beschränkte Güter vorzulegen; diese Natur selber aber ist der stets wache Antrieb, rastlos nach neuen Gütern zu streben. „Daß die Vernunft die Wahrheit eines Dinges erfasse, das ist nicht in unserer Gewalt; das ist dem natürlichen Verstandeslichte gedankt … Daß die Vernunft den allgemeinen, ersten Grundprincipien zustimme und daß sie erst auf Grund derselben den Schlußfolgerungen zustimme oder nicht; — das ist wieder streng im Bereiche der Natur.“ Da steht der zweite Wachposten vor uns; er hält, ohne jemals zu ermüden, Wache vor der Vernunft. Und mag dich die gezogene Schlußfolgerung voll und ganz überzeugen oder nur zur Zustimmung hinneigen; soweit sie auf deine Vernunft erleuchtend einwirkt, thut sie es zweifellos auf Grund der kraft deinerNatur mit Notwendigkeit erkannten ersten allgemeinen Principien. Diese Principien aber, so groß und umfassend ihr Vermögen sein mag, sind nicht in deiner Gewalt, du mußt ihnen zustimmen; und doch enthalten sie alle Fruchtbarkeit für die Erkenntnis einzelner Wahrheiten in sich. Sie bergen nichts Bestimmtes, keine notwendige Beziehung auf ein einzelnes Gut. Weit öffnen sie das Thor der Natur und sagen deinem Geiste: Ein Gut, das alle unsere Wahrheit ausfüllt, das allgemein sei wie wir und dabei in einzelner Wirklichkeit und Bestimmtheit existiere, wie es einem Gute als dem Gegenstande des Willens entspricht, findet sich nicht in allem dem, was deine Vernunft vorstellt. Aber Thomas stellt nicht nur in der erwähnten Weise vor jedes einzelne Vermögen eine Wache, welche auf die Natur, also auf das außerhalb der Gewalt des Menschen Befindliche, weist als auf das Maßgebende und Leitende und doch Unbeherrschbare; er geht noch weiter. Man möge nur ruhig im Thomas durchweg voraussetzen, daß er, zumal in solchen grundlegenden Untersuchungen wie die vorliegenden über den Mechanismus der menschlichen Handlungen nichts erwähnt, was nicht von hoher Bedeutung wäre; handelt es sich doch hier um die Grundtage für die allereinschneidendsten Folgerungen, die später bei dem Besprechen der Tugenden und Laster und im allgemeinen beim Behandeln der für das menschliche Leben wichtigsten Zustände mit aller Schärfe gezogen werden sollen. Zumal erscheint oft bei genauerem Nachsehen am wichtigsten, was oberflächlich gelesen keinen rechten Zusammenhang bietet mit dem Übrigen. In der That; was soll hier die philosophische Auseinandersetzung über die der vernünftigen Beurteilung voraufgehenden Bewegungen des Herzens und der Zeugungsglieder, wie sie oben am Ende der ganzen Untersuchung steht? Ist die Stelle eine müßige? Wer oberflächlich liest, der übergeht sie als philosophische Exuberanz. Aber wer gewohnt ist, in Thomas den wortkargen ernsten Denker zu sehen, der findet nach reiflicher Prüfung in ihr den Ausgangspunkt für die theologische Erklärung wichtiger Wahrheiten. Wir werden bei der Erbsünde, bei der läßlichen Sünde, bei den motus primo primi, die bei Thomas eine entscheidende Stelle in der Moral einnehmen und für die in der modernen Moral beinahe gar keine wissenschaftliche Erklärung mehr gegeben wird, und zudem bei vielen anderen Gelegenheiten auf die erwähnte Auseinandersetzung zurückkommen. Für jetzt enthält gerade diese Stelle den Übergang zur letzten Hälfte des Psalmenverses: „Kehre ein, meine Seele, in deine Ruhe: denn Gott hat dir wohlgethan.“ Es ist die letzte Wache und zwar jene, welche ohne vieles Sprechen durch natürliche Beschämung die Seele von der Außenwelt forttreibt, sie vorübergehen läßt in übergroßer Trauer, auf daß dann sie in ihrem eigenen Innern Jenen „finde, den sie liebt“; — den sie liebt, ohne ihn zu kennen; denn sie sucht ihn nur, weil sie ihre eigene Ruhe sucht. Halten wir fest zuvörderst, was Thomas im Beginne des ad III. sagt: „Nachdem das übernatürliche Geschenk entfernt worden, ist die Natur des Menschen sich selbst überlassen.“ Wir erinnern uns, wie Thomas im ersten Teile der Summa, als er über den Urzustand handelte, nach Augustin gerade in der Botmäßigkeit der genannten Glieder gegenüber der Vernunft den gewissermaßen äußeren Ausdruck fand für die Urgerechtigkeit, nämlich für die Herrschaft des Menschen über die Natur. Ist also das übernatürliche, von Gott verliehene Geschenk entfernt, besitzt der Mensch die Urgerechtigkeit nicht mehr; — dann „ist die Natur sichselbst überlassen,“ und in ihr muß der Grund gesucht werden, in der Natur der menschlichen Vernunft nämlich, dafür, daß jene Bewegungen der Anordnung der Vernunft zuvorkommen und somit ihrer Herrschaft sich entziehen. Im Vorhergehenden hatte Thomas bereits auf diesen Grund hingewiesen, so daß er hier nicht des weiteren auseinandergesetzt werden darf. Daß „äußere Gegenstände den Sinnen sich vorstellen oder nicht vorstellen,“ so hatte der heilige Lehrer gesagt; „daß demgemäß sie aufgefaßt werden; daß die Vernunft Wahres an einem Dinge erfaßt und ein dementsprechendes Gut vorstellt; — das liegt naturgemäß nicht in der Gewalt des Menschen.“ Hier aber fährt er fort: „Infolge einer gewissen Auffassung werden diese Glieder bewegt (es ist also nicht vom Schlagen des Herzens die Rede, vom motus vitalis) wie in ad II.; denn dieser ist unabhängig von jeder Auffassung im Menschen), insoweit nämlich die Phantasie und die Vernunft etwas vorstellen, woraus eine leidenschaftliche Erregung in der Seele folgt und dieser Erregung folgt das In-Bewegung-sein dieser Glieder.“ Und warum ist da, insofern ja auch die Vernunft als vorstellende betheiligt ist, ein Befehlen, ein Herrschen der Vernunft ausgeschlossen? Auch davon war schon Art. 7. ad II. der Grund angegeben worden. „Die körperliche Beschaffenheit, wonach jemand zu dieser oder jener Leidenschaft hinneigt gemäß Wärme und Kälte, ist von der Natur; sie geht dem Befehlen der Vernunft voraus. Oder sie ist von einer vorhergehenden leidenschaftlichen Erregung verursacht und dann geht sie als Ergebnis des Vergangenen wieder dem Einflüsse der Vernunft voraus.“ Deshalb sagt er hier: „Diese Glieder werden nicht gemäß der Anordnung der Vernunft bewegt, denn zu einer solchen Bewegung bildet die Voraussetzung eine Änderung in der natürlichen Beschaffenheit des Körpers gemäß Wärme und Kälte; und eine solche Änderung ist rein natürlich und unterliegt nicht dem bestimmenden Einflüsse der Vernunft, die im Menschen nicht gebieten kann, daß der Körper warm sei oder kalt, daß somit das Herz gemäß der Natur vom Zorn sich hinreißen lasse oder zur Trägheit hinneige.“ Hier also, o Mensch, beginnt die Natur oder vielmehr der Wächter, den die Seele gefragt, dir in positivster und nicht bloß in negativer Weise zu sagen: „Eile vorüber.“ Unruhe findest du in der Natur und zwar kraft der natürlichen Verhältnisse. Auf deine Gewalt pochest du? Alles möchtest du in deiner Gewalt haben, um von nichts in deiner Ruhe gestört zu werden? Aber in der Natur selber stützt sich deine Gewalt auf das, was nicht in deiner Gewalt ist, was positiv erklärt, es sei nicht in deiner Gewalt. Oder wovon geht dein Sinnenleben und die Gesamtheit der sinnlichen Eindrücke in dir aus? Von der natürlichen Beschaffenheit jenes Organs, das man „Herz“ nennt; es ist das Princip des sinnlichen Lebens. Ohne sinnlichen Eindruck kannst du gar nichts wollen. Denn dein Wollen ist auf Einzelnes gerichtet; nur aber sichtbare Güter werden dir als in einzelner Wirklichkeit bestehende und zu erstrebende durch die Vernunft vorgestellt und erst auf Grund deren andere. Also muß der sinnliche Eindruck die natürliche Voraussetzung sein deines Wollens und demgemäß ist er nicht in deiner Gewalt. Beständiger Unruhe giebt dich deine sich selbst überlassene Natur preis. Bald wird jener Eindruck dein Herz bewegen bald dieser; und kaum hast du daraufhin deinen Weg regeln wollen, so regt schon wieder ein dritter auf. Nichts Anderes als deinen letzten Endzweck zeigt dir die Natur als reine Ruhe; aber sie kehrt dich durch die Unruhe und die Arbeit, die siebietet, von allen einzelnen Gütern in ihr selber ab. „Kehre ein, meine Seele, in deine Ruhe: denn der Herr hat dir wohlgethan.“ Reine Gnade, reine Wohlthat von seiten des Herrn ist es, wenn er seiner geliebten Seele die Ruhe giebt. Er allein kann ihr volle Herrschaft verleihen; denn Er ist der Herr aller Natur, der frei über sie verfügt. Er allein ist die freie Einzelnvernunft, die selber ihre eigene Natur, ihr eigenes Wesen ist. Er kann, was unserer Vernunft fehlt, ersetzen. Er allein kann, was unserer Gewalt nicht unterworfen ist, ihr unterthan machen; „auf daß unter uns unser Begehren sei“ (Gen. 4.) und nicht unserem freien Willen voraufgehe. Voll Scham ftieht die Seele; voll Scham und Angst vor den Bewegungen in ihr, deren Grund sie nicht kennt, flieht sie aus der Welt. Nicht die Wächter führen sie zum Geliebten. Sie, die heiligen Lehrer, halten ihr bloß das Nichts und die Unruhe ihrer eigenen Natur vor Augen. Der Geliebte selber nimmt sie aus eigenster Güte auf. „Er zeigt ihr die Güter“ (Ps. 4.) „gemäß dem Siegel seines Lichtes, das sie trägt;“ nämlich so bestimmt Er sie zum Begehren des Einzelnen, daß sie im Innern nur immer auf das Allgut schaut. Und wie der Arzt bald süße Medizin giebt bald bittere, nun für so lange Zeit nun für so lange; — so will diese Seele nur in solcher Weise etwas gebrauchen, daß sie in aller Veränderung ohne Wanken allein festhält am Geliebten: „Ich habe Ihn festgehalten,“ sagt sie, „ich will Ihn nicht loslassen; ich will Ihn einführen in das Haus meiner Mutter, in das Zimmer derjenigen, die mich geboren.“ Da, in der Natur selber, aus welcher der Mensch geboren, da, inmitten der Sinne und der natürlichen Neigungen; — da wird Gott, der Geliebte der Seele, als Herr herrschen und all diese Sinne, all diese Neigungen werden uns dann helfen, anstatt unserer Gewalt sich zu entziehen. „Du freust dich an der Geldmünze?“ fagt Augustin (Ps. 37.) „Du mußt dabei den Dieb fürchten. Freue dich über Gott und du fürchtest nicht mehr, daß dir Ihn jemand nehme. Niemand kann dich von Gott entfernen, wenn du dich nicht vom Ihm entfernst.“ Da ist unverbrüchliche, selige Ruhe schon in diesem Leben. „Eine Kerze wird angezündet?“ schreibt Bernardus (serm. 1. de divers.). „Das Licht ist nicht rein. Das Feuer verzehrt den eigenen Stoff. Ist der Stoff verbrannt, so ist das Licht selber vergangen. Wie also das Ende dieser Flamme trüber Rauch und Dunst, so endet die leidenschaftliche Freude am Vergänglichen in Trauer und Unruhe.“ Nein; sage mit dem Propheten: „Meine Seele wies zurück den Trost.“ Denn nur dann ist nach dem heiligen Bernard (de vita. et morib. cleric. 21.) „kostbar der göttliche Trost, wenn jeder fremde zurückgewiesen wird.“ Oder vielmehr folge dem Herrn selber, der es wissen mußte und der da spricht: „Lernet von mir wie ich sanftmütig bin und demütig von Herzen; und ihr werdet Ruhe finden in eueren Seelen.“ Da ist jenes verborgene Manna, was niemand kennt, außer wer davon gekostet; was niemand sieht, außer wer es in sich empfangt; was niemand versteht, außer wer glaubt. Das ist die „beste verliehene Gabe, herabsteigend vom Vater der Erleuchtungen,“ welche Liebe verbreitet im Herzen, Frieden im Gewissen, Freude in der Seele. „Das Reich Gottes“ ist dies, was da in uns, was in unserer Gewalt ist, welches „nicht besteht in Essen und Trinken“, sondern das da ist „Friede, Freude und Gerechtigkeit im heiligen Geiste“. Diese Freude ließ den heiligen Andreas das Kreuz umarmen, den heiligen Laurentius mitten im Feuer jubeln, legte Gebete auf die Zunge des heiligen Stephanus für seinePeiniger. Von hier fließt die Glut der Andacht, der friedvolle Schmerz der Reue, die unverbrüchliche Zuversicht auf das Gebet. Denn Gott wirkt in dieser Sanftmut und Demut des Herzens; Er giebt sie, damit Er seine Gaben ausstreue in die Seele; daß seine über Alles wohlthätige Liebe und Güte offenbar werde, die jener kannte, der da sagte: „Kehre ein, meine Seele, in deine Ruhe: denn Gott hat dir wohlgethan.“ Denn er hatte vorausgeschickt: „Die Kleinen behütet Gott: gedemütigt bin ich worden und Gott hat mich befreit.“ — Nach den so erörterten Gesichtspunkten, wie sie die Natur des Menschen selbst an die Hand giebt, wird jetzt Thomas erwägen, in welcher Weise den menschlichen Handlungen der Charakter des Guten oder Bösen zukomme. „Nun müssen wir behandeln den Charakter des Guten und Bösen in den menschlichen Handlungen und zwar: 1. in welcher Weise eine menschliche Handlung gut ist oder böse; — und 2. was diesem Charakter nachfolgt; nämlich Verdienst oder Mißverdienst, Sünde und Schuld. Rücksichtlich des ersten Punktes ist zu erwägen:
a) Das Gute und Böse in den menschlichen Handlungen im allgemeinen;
b) das Gute und Böse im inneren Willensakt;
c) in dem Wirken, soweit es nach außen gerichtet ist.“
