Vierter Artikel. Die menschliche Handlung hängt in ihrer Güte oder Bosheit ab vom Zwecke.
a) Dagegen sagt: I. Dionysius (de div. nom. 4.): „Niemand Handelt, um ein Übel zu erreichen.“ Hinge also die Handlung in ihrem moralischen Charakter vom Zwecke ab, so gäbe es keine schlechte. II. Die Güte eines Aktes ist in demselben. Der Zweck aber ist außen. III. Gute Handlungen werden oft um eines schlechten Zweckes willen gethan und umgekehrt; wie wenn jemand aus Eitelkeit Almosen giebt oder um Almosen geben zu können, stiehlt. Also der Zweck macht da die Handlung weder gut noch schlecht. Auf der anderen Seite sagt Boëtius (3 Topic. l.): „Wo der Zweck gut ist, ist die Handlung gut; wo er schlecht, ist auch die Handlung schlecht.“
b) Ich antworte, das Verhalten der Dinge im Gutsein ist ganz das gleiche wie im Sein überhaupt. Manche Dinge nämlich giebt es, die im Sein für sich bestehen und so nach dieser Seite nicht von etwas Anderem abhängen; — und bei diesen genügt es, ihr Sein für sich zu betrachten. Manche Dinge aber bestehen, deren Sein von etwas Anderem abhängt; — und diese dürfen nur betrachtet werden in ihrer Beziehung zur Ursache, von der sie abhängen. Wie aber das Sein eines Dinges abhängt von der einwirkenden Ursache und von der Wesensform, so hängt die Güte desselben ab vom Zwecke. In den göttlichen Personen, welche keinerlei von etwas Anderem abhängige Güte haben, wird nach keiner Seite hin irgend welcher Grund für ihre Güte vom Zwecke aus geltend gemacht. Die menschlichen Handlungen aber sowie andere Dinge, deren Güte von etwas Anderem abhängt, haben den Grund für ihre Güte vom Zwecke her, von dem sie abhängen; natürlich ausgenommen die absolute Güte, die sie dadurch haben, daß sie eben Sein besitzen. Nach dem Gesagten also kann man von vier Seiten her in der menschlichen Handlung den moralischen Charakter erwägen, ob sie gut sei oder böse: 1. ist sie überhaupt eine Handlung und danach nimmt sie ihre Stellung ein in den Arten des Seins; denn soweit sie Thätigkeit einschließt und Sein, ist sie gut; — 2. hat jede menschliche Handlung als solche ihr bestimmtes Wesen, das gemäß dem Gegenstande bemessen wird; — 3. hat sie eine gewisse Güte gemäß den Umständen, wie gemäß hinzutretenden Eigenschaften; — 4. hängt ihre Güte vom Zwecke ab und somit besteht dieselbe gemäß der Beziehung zur Ursache der Güte.
c) I. Das Gute, was jemand erreichen will, ist nicht immer ein wahrhaftiges Gut; sondern manchmal ist es ein wahres und manchmal nur ein Scheingut. Und demgemäß folgt aus dem Zwecke das Böse in der Handlung. II. Der Zweck ist wohl eine außenstehende Ursache; jedoch die gebührende Proportion der Handlung zum Zwecke hin und die Beziehung zu selbem wohnt dem Akte inne. III. Nichts steht dem entgegen, daß in der Handlung die Güte aus einer der gedachten vier Quellen sich finde; während nach der anderen Seitehin sie mangelt. So kann sie gut sein gemäß dem Gegenstände, also in ihrem Wesen oder gemäß den Umständen; und sie kann zugleich auf einen letzten Zweck bezogen werden; — oder umgekehrt. Damit jedoch die Handlung einfach oder schlechthin gut sei, müssen alle die genannten Arten Güte zusammen sich finden. Denn, wie Dionysius sagt (de div. nom. 4.), „genügt jeglicher Mangel, um Ursache des Üblen zu sein; gut aber schlechthin ist etwas nur dann, wenn nichts in der Ursache mangelhaft ist.“
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