Fünfter Artikel. Ihrem Wesen nach giebt es gute und schlechte menschliche Handlungen; der Gegenstand nämlich, auf den sie gerichtet sind, verursacht diese Verschiedenheit im inneren Wesen.
a) Dagegen wird geltend gemacht: I. Der Charakter des Guten und Schlechten in den Handlungen findet sich gemäß den Dingen und in einer diesen gleichförmigen Weise, wie Art. 1 gesagt worden. In den Dingen aber macht das Gute und Schlechte keinen Unterschied im Wesen; derselbe Mensch dem Wesen nach ist gut und ist schlecht; — also auch in den Handlungen ist dies nicht der Fall. II. Das Übel ist ein Mangel, also ein Nichtsein. Ein Nichtsein aber kann keinerlei Unterschied bilden. (3 Metaph.) Da also gerade der Unterschied das Gattungswesen herstellt, so scheint es, der Umstand, daß ein Akt schlecht sei, könne nicht den Grund abgeben für ein eigenes Gattungswesen; — und demgemäß machen „gut“ und „schlecht“ keinen Unterschied im Wesen. III. Wenn zwei Handlungen ihrem Wesen nach verschieden sind, so ist auch das vermittelst derselben Gewirkte verschieden. Die nämliche Wirkung dem Wesen nach aber folgt aus einer Handlung, mag diese gut oder böse sein; wie sowohl aus dem ehelichen Zusammenleben als auch aus dem Ehebruche ein Mensch gezeugt wird. Also macht „gut“ und „böse“ keinen Unterschied im Wesen einer Handlung. IV. Auch gemäß den Umständen ist manchmal eine Handlung gut oder böse. Kein Umstand aber giebt, da er nur eine von außen her zu dem bereits bestehenden Wesen zufallende (eine zufällige) Eigenschaft ist, der Handlung ihr bestimmtes Wesen. Also auf Grund von „gut“ und „böse“ unterscheidet sich nicht die eine Handlung wesentlich von der anderen. Auf der anderen Seite heißt es bei Aristoteles (2 Ethic. 1. et 2.): „Sind die inneren Zustände einander ähnlich, so sind dies auch die daraus hervorgehenden entsprechenden Akte.“ Die Zustände im Menschen aber unterscheiden sich ihrem Wesen nach gemäß dem Charakter des „gut“ und „böse“; wie z. B. die Freigebigkeit von der Verschwendung. Also ist dies desgleichen bei den Handlungen der Fall.
b) Ich antworte; jede Handlung habe ihr inneres Wesen gemäß ihrem Gegenstande. Also ist es durchaus erfordert, daß es einen Unterschied von seiten des Gegenstandes giebt, welcher den Unterschied im Wesen der Handlungen verursacht. Es ist nur zu erwägen, wie beschaffen dieser Unterschied von seiten des Gegenstandes sein wird. Denn offenbar kann ein Unterschied von seiten des Gegenstandes einen “Unterschied in der entsprechenden Handlung machen, soweit der Gegenstand auf das eine thätig wirksame PrincipBeziehung hat, welchen Unterschied der nämliche Gegenstand keineswegs in der nämlichen Handlung macht, soweit er zu einem anderen thätig wirksamen Princip Beziehung hat; — da ja nichts Zufälliges die Wesensstufe herstellen kann, sondern nur was wesentlich Beziehung hat. So z. B. die Farbe unterscheiden und den Ton, das ist wesentlich d. h. an und für sich voneinander unterschieden mit Rücksicht auf den Sinn; ein zufälliger Unterschied aber nur besteht zwischen dem Erkennen der Farbe und des Tones mit Rücksicht auf die Vernunft, also mit Rücksicht auf ein anderes wirksam thätiges Princip. Der Akt des Sehens ist wesentlich unterschieden von dem des Hörens; die vernünftige Erkenntnis aber bleibt dem Wesen nach immerdar wesentlich vernünftig, mag sie sich auf die Farbe richten oder auf den Ton; der Unterschied ist da nur ein zufälliger, rein außen im Gegenstande begründeter. Nun wird in den Handlungen ein „gut“ oder „böse“ gefunden mit Rücksicht auf die Vernunft; denn „das Gutsein besteht“ nach Dionysius (de div. nom. 4.) „darin, daß die betreffende Handlung gemäß der Vernunft ist; und das Übel für dieselbe ist, wenn sie außerhalb der Vernunft steht und von ihr absieht.“ Der Grund davon ist der, daß jeglichem Dinge insoweit das „Gute“ zukommt, als es seiner Form gemäß ist; und ein Übel ist es für dasselbe, außerhalb der Richtschnur seiner Form zu sein. Also ist es klar, daß der Unterschied von „gut“ und „böse“ von seiten des Gegenstandes ausgeht, insoweit der Gegenstand auf die Vernunft bezogen wird; nämlich insoweit er der Vernunft zukömmlich und entsprechend ist oder nicht; werden doch Handlungen als menschliche oder moralische bezeichnet, insofern sie von der Vernunft kommen. Da also von seiten des Gegenstandes das Wesen der Handlung bestimmt wird, da weiter vom Gegenstande aus das „gut“ oder „böse“ in der Handlung begründet wird; so folgt, daß der Unterschied von „gut“ und „böse“ einen Wesensunterschied in den menschlichen Handlungen begründet.
c) I. Auch in den Dingen, soweit nur ihre bloße Natur in Betracht kommt, macht „gut“ und „schlecht“, was ja nichts Anderes ist wie „gemäß der Natur“ und „gegen die Natur“, einen. Unterschied im Wesen. Denn ein lebendiger Leib ist dem Wesen nach verschieden von einem toten. Und ähnlicherweise macht das „Gute“ als der Richtschnur der Vernunft gemäß und das „Böse“ als gegen die Weisung der Vernunft sich richtend einen Unterschied in der moralischen Wesensgattung. II. Das „Übel“ besagt nicht einen ausschließlichen unbedingten Mangel, sondern einen Mangel, der einem gewissen Vermögen anhaftet. Denn eine dem Wesen nach böse Handlung wird so genannt, nicht als ob sie gar keinen Gegenstand hätte sondern weil sie einen Gegenstand hat, welcher der Weisung der Vernunft nicht gemäß ist; wie z. B. fremdes Gut sich aneignen. Insoweit also der Gegenstand etwas Positives ist, kann er die moralische Wesensgattung des schlechten Aktes herstellen. III. Insofern der Ehebruch und das eheliche Zusammenleben auf die Richtschnur der Vernunft bezogen werden, ist ein moralischer Wesensunterschied vorhanden; und bestehen dem Wesen nach verschiedene Wirkungen. Denn das eine verdient Lob und Belohnung, das andere Tadel und Strafe. Insofern aber Beides in Beziehung steht zum Zeugungsvermögen, besteht kein Wesensunterschied weder in der betreffenden Handlung noch in dem dadurch Bewirkten. IV. Ein Umstand wird bisweilen genommen als Grund für die Wesensverschiedenheit von seiten des Gegenstandes, insofern dieser Beziehung zur Vernunft hat; und in diesem Falle kann er den bestimmenden Grund fürdie entsprechende Wesensgattung des moralischen Aktes bilden. Dies muß aber sein, so oft der betreffende Umstand den Akt in seinem moralischen Charakter verändert, aus einem guten nämlich einen schlechten macht. Denn ein Umstand würde nicht einen Akt zu einem schlechten machen außer dadurch, daß er der Vernunft widerspricht.
