Siebenter Artikel. Das Verhältnis der Wesensstufe, wie sie vom Zwecke ausgeht, zu derjenigen, welche vom Gegenstande herkommt.
a) Es scheint, daß die Wesensstufe, welche der Zweck verleiht, untergeordnet ist der Wesensstufe des Guten, wie sie vom Gegenstande ausgeht, wie die Gattungsstufe in der „Art“ enthalten ist. Denn: I. Nehmen wir diesen Akt: „Es will jemand stehlen, damit er Almosen gebe;“ so wäre das Almosen die Gattungsstufe; das Stehlen, als vom Gegenstande aus moralisch bestimmt, wäre die „Art“. Der Grund davon ist, daß jeder Akt sein Wesen hat vom Gegenstande her, wie gesagt worden. Unmöglich aber ist etwas noch auf einer anderen Wesensstufe, welche nicht eingeschlossen und enthalten ist in der eigenen, bereits bestehenden; da nichts zugleich zwei miteinander in keinerlei Beziehung stehende Wesenheiten haben kann. Also die Wesensstufe, die vom Zwecke herrührt, ist in jener, welche vom Gegenstande kommt, enthalten wie die Gattung in der „Art“. II. Der letzte eingehendste Unterschied stellt immer die eigentliche Wesensgattung her, wie „vernünftig“ das Wesen: Mensch; und „sinnbegabt“ die entsprechende „Art“. Der Unterschied nun, welcher vom Zwecke kommt, scheint jenem nachzustehen, welcher vom Gegenstande herrührt; denn der Zweck hat den Charakter des „Letzten“. Also ist die Wesensstufe vom Zwecke her in der anderen vom Gegenstande aus verliehenen enthalten wie die letzte Wesensgattung in der allgemeineren „Art“. III. Der „Unterschied“ oder die „Differenz“ verhält sich zur „Art“ wie die bestimmende Form zum bestimmbaren Stoffe; und ist deshalb im selben Grade mehr bestimmend oder formal als sie auf das Besondere geht. Nun ist aber die Wesensstufe, wie sie vom Zwecke her stammt, in ihrem Verhältnisse zu jener, die vom Gegenstande herrührt, mehr bestimmend; wie im letzten Artikel gesagt worden. Also stellt die vom Zwecke begründete Wesensstufe die Wesensgattung vor und ist enthalten in jener vom Gegenstande aus sich ableitenden wie die Gattung in der „Art“. Auf der anderen Seite finden sich innerhalb einer jeden „Art“ ganz genau bestimmte Gattungsunterschiede. Akte aber ein und derselben Wesensgattung vom Gegenstande aus können auf endlos viele Zweckrichtungen hinbezogen werden; wie der Diebstahl z. B. zu endlos viel Gutem oder Schlechtem dienen kann. Also jene Wesensstufe, die vom Zwecke sich ableitet, ist nicht unter der Wesensstufe, welche vom Gegenstande kommt, wie die bestimmte Gattung unter der „Art“.
b) Ich antworte; der Gegenstand des nach außen gerichteten Aktes kann sich in doppelter Weise zum Zwecke des Willens verhalten: einmal wie zu etwas, wozu er seiner Natur nach Beziehung hat, wie das regelrechte Kämpfen den Sieg zum Zwecke hat; — dann wie zu etwas, wozu die Beziehung nur eine nebensächliche, zufällige ist, wie in dieser Weise das Ergreifen fremden Eigentumes den Zweck haben kann, Almosen zu geben. Nun ist es aber erforderlich, daß, wie Aristoteles (7 Metaph.) sagt, die Unterschiede, welche innerhalb ein und derselben Art eine Mehrheit von Wesensgattungen begründen, also die „Art“ teilen, dies auf Grund ihrer Natur thun und nicht aus Rücksichten, die nebensächlich hinzutreten. So würde die folgende derartige Teilung nicht richtig sein: „Von den sinnbegabten Wesen sind die einen vernünftig, die anderen nicht; und von den letzteren sind die einen mit Flügeln versehen, die anderen sind dies nicht.“ Denn „mit Flügeln versehen sein“ und „nicht mit Flügeln versehen sein“ sind nicht ihrer Natur nach bestimmende Unterschiede im Bereiche des vernunftlosen Sinnbegabten. Vielmehr müßte man sagen: „Von den sinnbegabten Wesen haben die einen Füße, die anderen haben keine; und von denen, die Füße besitzen, haben die einen zwei, die anderen vier, andere wieder viele;“ denn diese letztgenannten Unterschiede bestimmen und grenzen ab ihrer Natur nach den zuerst erwähnten, daß die einen Füße haben die anderen nicht. Wenn also der Gegenstand des Aktes nicht aus seiner Natur heraus zum Zwecke Beziehung hat, so ist der Wesensunterschied, der vom Gegenstande stammt, nicht aus sich heraus bestimmend für den Wesensunterschied, welcher vom Zwecke sich ableitet; und ebenso ist es umgekehrt nicht der Fall. Vielmehr ist die gegenseitige Beziehung von Gegenstand und Zweck eine nebensächliche, von außen hinzutretende. Keiner also van diesen Wesensunterschieden ist an und für sich unter dem anderen enthalten; sondern der betreffende moralische Akt ist auf zwei Wesensstufen, die zu einander in keiner Beziehung stehen. Deshalb sagen wir, daß jener, der da stiehlt, um Ehebruch zu treiben, zweier Bosheiten im selben einen Akte sich schuldig macht. Hat aber der Gegenstand eine in seiner Natur gegebene Beziehung zum Zwecke, so ist einer der beiden entsprechenden Wesensunterschiede von sich aus bestimmend für den anderen und der eine wird unter dem anderen stehen. Nun bleibt noch übrig zu untersuchen, welcher von beiden dem anderen untergeordnet ist. Um dies zu erläutern, bemerken wir zuvörderst, daß, wenn ein solcher Unterschied von einer Wesensform entnommen wird, die mehr beschränkt und gesondert ist, dieser Unterschied auch mehr die Wesensgattung sondert und abgrenzt. 2. Es ist eine Form um so allgemeiner und unbeschränkter, je allgemeiner und unbeschränkter die wirkende Kraft ist. 3. Je mehr ein Zweck am schließlichen Ende steht, desto mehr entspricht er einer allgemeineren wirkenden Kraft; wie der Sieg als schließlicher Zweck des ganzen Heeres der wirkenden Kraft des Oberfeldherrn entspricht, der über die Gesamtheit des Heeres Gewalt hat; die Leitung dieses oder jenes Armeecorps aber ist der Zweck, welcher dem Führer eines besonderen Heerteiles entspricht. Daraus folgt, daß der Wesensunterschied, welcher vom Zwecke herkommt, eine allgemeinere Bedeutung hat; und der Unterschied vom Gegenstande aus, der auf den Zweck bezogen wird, ist mit Rücksicht auf den erstgenannten ein mehr abgrenzender und die besondere Wesensgattung begründender. Denn der Wille, dessen eigenster Gegenstand der Zweck ist, steht als die allgemeine bewegende Kraft da rücksichtlich aller Seelenvermögen; und die einem jeden dieser Seelenvermögen eigens entsprechenden Gegenstände sind eben jene Gegenstände, auf welche der besondere äußerliche Akt gerichtet ist.
c) I. Gemäß seiner Substanz kann kein Ding zwei Wesensgattungen zugehören, von denen die eine nicht in der anderen eingeschlossen wäre. Gemäß den Eigenschaften und Zuständen aber, die zu einem Dinge hinzutreten, kann es in verschiedenen Wesensgattungen sein; wie z. B. dieser Apfel gemäß der Farbe zur Wesensgattung „weiß“ gehört und gemäß dem Gerüche zur Wesensgattung „wohlriechend“. Ähnlich nun ist die menschliche Handlung gemäß ihrer Substanz in einer einzigen Wesensgattung, soweit es auf ihre Natur als menschliche Handlung ankommt; soweit ihr aber der Charakter des Moralischen innewohnt, kann sie auf zwei Wesensstufen stehen, wie eben auseinandergesetzt. II. Der Zweck ist das Letzte wohl in der Ausführung, das Erste aber in der vernünftigen Absicht; und danach eben, nach der vorwaltenden Absicht, werden die Wesensstufen der moralischen Handlungen erwogen. III. Der Wesensunterschied oder die „Differenz“ steht zur „Art“ im nämlichen Verhältnisse wie die bestimmende Form zum bestimmbaren Stoffe, insoweit er macht, daß die „Art“ nun thatsächliches Sein hat. Die „Art“ aber ist stärker ihrerseits in ihrer bestimmenden Kraft als die Gattung, insoweit sie allgemeiner ist und minder beschränkt; weshalb auch die Elemente der Begriffsbestimmung zurückgeführt werden auf die Art der Formal- d. h. der im Innern des Dinges das Sein bestimmenden Ursache. (2 Physic.) Und danach ist die „Art“ die Formal- oder bestimmende Ursache für die Gattung als selbständigen allgemeinen Begriff; abgesehen vom thatsächlichen Einzelsein, wo die Gattungsform bestimmend oder formal ist; — und um so mehr bcstimmende Kraft hat dann die „Art“, je allgemeiner und unbeschränkter sie ist.
