10. Ist die Gnade nichts weiter als die menschliche Natur, dann ist Christus umsonst gestorben.
Mit Recht antwortet man ihm:1 „Also ist das Ärger- S. 149 niß des Kreuzes gehoben." „Also ist Christus umsonst gestorben." Wäre denn,2 wenn (Christus) wegen unserer Sünden nicht gestorben und wegen unserer Rechtfertigung nicht auferstanden noch in die Höhe aufgefahren wäre und die Gefangenschaft gefangen führend den Menschen Geschenke gegeben hätte, nicht gleichwohl jene Fähigkeit der Natur, welche er vertheidigt, in den Menschen? Fehlte etwa das Gebot Gottes und starb Christus deßhalb? War doch dieses gewiß schon heilig, gerecht und gut.3 Schon war gesagt:4 „Du sollst nicht begehren.“ Schon hatte es geheissen:5 „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst,"in welchem Worte der Apostel die Erfüllung des ganzen Gesetzes findet.6 Und weil Niemand, der nicht Gott liebt, sich selbst liebt, deßhalb sagt der Herr,7 daß an diesen zwei Geboten das ganze Gesetz und die Propheten hängen. Diese zwei Gebote aber waren den Menschen schon von Gott gegeben. Oder war vielleicht die ewige Belohnung noch nicht der Gerechtigkeit verheissen? Das sagt er selbst nicht, da er in seinem Briefe behauptete, daß auch im alten Testamente das Himmelreich verheissen wurde. Wenn also zur Übung und Vollendung der Gerechtigkeit die Natur kraft des freien Willens vermögend, das Gebot des göttlichen Gesetzes schon heilig, gerecht und gut, der ewige Lohn schon verheissen war, dann ist Christus umsonst gestorben.
