12. Die Gerechten wurden schon vor und unter dem Gesetze nur im Hinblick auf die kommende Gnade Christi erlöst.
Ich glaube aber, daß er es nicht weiß, daß der Glaube Christi, welcher nachher offenbar wurde, verborgen gewesen sei zu den Zeiten unserer Väter, vermittelst dessen jedoch sie selbst durch Gottes Gnade erlöst wurden, die nur immer zu allen Zeiten des Menschengeschlechtes erlöst werden konnten nach einem geheimen, aber untadelhaften Richterspruche Gottes. Daher sagt der Apostel:1 „Weil wir aber denselben Geist des Glaubens — also denselben wie Jene haben, wie geschrieben steht :2 „Ich glaubte, darum redete ich, so glauben auch wir, und darum reden wir auch.„ Daher sagt der Mittler selbst:3 „Abraham sehnte sich, meinen S. 151 Tag zu sehen; er sah ihn und freute sich.“ Darum wußte Melchisedech,4 nachdem er das Sakrament des Tisches des Herrn dargebracht hatte, daß er sein ewiges Priesterthum vorbilde. Nachdem aber das Gesetz schriftlich gegeben war, welches, wie der Apostel5 sagt, dazwischen kam, damit die Sünde überhandnehme, und von welchem er sagt:6 „Denn (käme) die Erbschaft kraft des Gesetzes, so (käme) sie nicht kraft der Verheißung; dem Abraham aber hat sie Gott durch die Verheißung geschenkt. Wozu nun das Gesetz? Der Übertretungen wegen ist es gegeben worden, bis der Same käme, dem die Verheißung geschehen war; angeordnet7 ist es worden durch Engel, durch die Hand eines Mittlers; der Mittler aber ist nicht eines Einzigen, Gott hingegen ist Einer. Ist also das Gesetz gegen die Verheißungen Gottes? Das sei ferne. Denn wenn ein Gesetz gegeben wäre, das lebendig machen könnte, so käme wirklich aus dem Gesetze die Gerechtigkeit, sondern die Schrift hat Alles unter der Sünde verschlossen, damit die Verheißung durch den Glauben an Jesus Christus zu Theil würde Denen, die glauben.„ Ist hiedurch nicht deutlich genug dargethan, daß durch das Gesetz das erreicht wurde, daß die Sünde anerkannt und durch Übertretung vermehrt würde? „Denn wo kein Gesetz ist, da giebt es auch keine Übertretung;“8 und damit man gegen den Sieg der Sünde zu der in den Verheißungen enthaltenen göttlichen Gnade seine Zuflucht nehme und so das Gesetz den Verheißungen Gottes nicht zuwiderlaufe; weil deßhalb durch jenes die Erkenntniß der Sünde und aus der Übertretung des Gesetzes das Übermaß der Sünde hervorgeht, damit man zur Befreiung die Verheißungen Gottes suche, d. i. die Gnade Gottes, und auf daß im Menschen die Gerechtigkeit zu sein S. 152 anfange, nicht die seinige, sondern die Gottes, d. i. die durch Gottes Geschenk verliehene.
