Übersetzung
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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
21. Unter dem Paradies, worin sich die ersten Menschen befanden, kann man recht wohl etwas Geistiges verstehen, ohne daß die Geschichtserzählung über das Paradies als einen wirklichen Ort angetastet würde.
Darum rechnen manche das ganze Paradies selbst auch zu den übersinnlichen Dingen, den Aufenthaltsort der Stammeltern des Menschengeschlechtes nach dem Berichte der in allweg wahrhaftigen Heiligen Schrift, und beziehen jene Bäume und fruchttragenden Sträucher auf Lebenstugenden und sittliche Beschaffenheiten, und zwar in dem Sinne, als handle es sich da nicht um sichtbare und körperliche Dinge, sondern sei das so gesagt oder niedergeschrieben zur Bezeichnung von übersinnlichen Dingen1. Als ob das Paradies, weil man es auch geistig auffassen kann, nicht ein wirklicher Ort hätte sein können; gleich als wenn es nicht zwei Frauen, Agar und Sara, gegeben hätte und zwei Söhne Abrahams von ihnen, einen von der Magd und einen von der Freien, weil der Apostel2 in ihnen die beiden Testamente gesinnbildet sein läßt; oder es keinen Fels gegeben hätte, aus dem der Stab des Moses Wasser schlug3, weil man darunter auch in übertragener Bedeutung Christus verstehen kann gemäß dem Worte des Band 16, S. 724Apostels4: „Der Fels aber war Christus“. Niemand also verwehrt, unter dem Paradies das Leben der Seligen zu verstehen, unter seinen vier Strömen die vier Tugenden: Klugheit, Starkmut, Mäßigung und Gerechtigkeit, unter seinen Bäumen alle nützlichen Wissenschaften und Künste und unter deren Früchten die Sitten der Frommen, unter dem Lebensbaum die Weisheit als die Mutter aller Güter und unter dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen die Erfahrnis infolge der Übertretung des Gebotes. Denn gut ist es, daß Gott Strafe festgesetzt hat für die Sünde, weil es so gerecht ist, aber nicht zu seinem Besten erfährt sie der Mensch. Man mag dies alles auch auf die Kirche deuten und es demgemäß richtiger als prophetische Vorzeichen auffassen: das Paradies als die Kirche selbst, wie von ihr im Hohen Liede zu lesen ist5, die vier Paradiesesströme als die vier Evangelien, die fruchttragenden Bäume als die Heiligen, und ihre Früchte als deren Werke, den Lebensbaum als den Heiligen der Heiligen, als Christus, den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen als den eigenen freien Willen. Denn auch von sich selbst kann der Mensch, wenn er den göttlichen Willen verachtet, nur zu seinem Verderben Gebrauch machen, und so lernt er den Unterschied kennen zwischen dem Anschluß an das allen gemeinsame Gut und dem Ergötzen am eigenen Sondergut. Liebt er sich selbst, so wird er sich selbst überlassen, damit er dann, vorausgesetzt, daß er sein Elend fühlt, voll Furcht und Trauer mit dem Psalmisten ausrufe6: „In mir selbst ist verwirrt meine Seele“, und sich aufraffe und bessere und dann spreche7: „Meine Kraft bewahre ich in Dir“. All das und vielleicht sonst noch Entsprechendes mag man über die geistige Bedeutung des Paradieses sagen, niemand wehrt es, wenn man nur auch an die geschichtliche Wahrheit glaubt, wie sie durch die getreue Schilderung der Geschehnisse nahegelegt wird.
Edition
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De civitate Dei (CCSL)
Caput XXI: De paradiso, in quo primi homines fuerunt, quod recte per significationem eius spiritale aliquid intellegatur, salua ueritate narrationis historicae de corporali loco.
Vnde nonnulli totum ipsum paradisum, ubi primi homines parentes generis humani sanctae scripturae ueritate fuisse narrantur, ad intellegibilia referunt arboresque illas et ligna fructifera in uirtutes uitae moresque conuertunt; tamquam uisibilia et corporalia illa non fuerint, sed intellegibilium significandorum causa eo modo dicta uel scripta sint. quasi propterea non potuerit esse paradisus corporalis, quia potest etiam spiritalis intellegi; tamquam ideo non fuerint duae mulieres, Agar et Sarra, et ex eis duo filii Abrahae, unus de ancilla, alius de libera, quia duo testamenta in eis figurata dicit apostolus; aut ideo de nulla petra Moyse percutiente aqua defluxerit, quia potest illic figurata significatione etiam Christus intellegi, eodem apostolo dicente: petra autem erat Christus. nemo itaque prohibet intellegere paradisum uitam beatorum, quattuor eius flumina quattuor uirtutes, prudentiam, fortitudinem, temperantiam atque iustitiam, et ligna eius omnes utiles disciplinas, et lignorum fructus mores piorum, et lignum uitae ipsam bonorum omnium matrem sapientiam, et lignum scientiae boni et mali transgressi mandati experimentum. poenam enim peccatoribus bene utique, quoniam iuste, constituit deus, sed non suo bono experitur homo. possunt haec etiam in ecclesia intellegi, ut ea melius accipiamus tamquam prophetica indicia praecedentia futurorum; paradisum scilicet ipsam ecclesiam, sicut de illa legitur in cantico canticorum; quattuor autem paradisi flumina quattuor euangelia, ligna fructifera sanctos, fructus autem eorum opera eorum, lignum uitae sanctum sanctorum utique Christum, lignum scientiae boni et mali proprium uoluntatis arbitrium. nec se ipso quippe homo diuina uoluntate contempta nisi perniciose uti potest, atque ita discit, quid intersit, utrum inhaereat communi omnibus bono an proprio delectetur. se quippe amans donatur sibi, ut inde timoribus maeroribusque conpletus cantet in psalmo, si tamen mala sua sentit: ad me ipsum turbata est anima mea; correctusque iam dicat: fortitudinem meam ad te custodiam. haec et si qua alia commodius dici possunt de intellegendo spiritaliter paradiso nemine prohibente dicantur, dum tamen et illius historiae ueritas fidelissima rerum gestarum narratione commendata credatur.