Kap. 8. Dennoch vergaßen viele Christen diese Mahnungen so gänzlich, daß sie sich sofort zum Abfall bereit zeigten.
Aber einigen – welch ein Frevel! – ist das alles entfallen und aus dem Gedächtnis entschwunden. Sie warteten nicht einmal mit dem Emporsteigen1 zum Kapitol, bis sie etwa ergriffen, mit dem Ableugnen, bis sie gefragt wurden. Vor der Schlacht schon besiegt, ohne Kampf schon niedergestreckt, retteten viele für sich nicht einmal den Schein, als ob sie etwa nur widerwillig den Götzen geopfert hätten. Nein, aus freien Stücken liefen sie auf das Forum2 , freiwillig eilten sie ihrem geistlichen Tode entgegen, gerade als ob sie das schon längst ersehnt, als ob sie nur eine sich bietende S. 99 Gelegenheit ergriffen, die sie von Herzen gewünscht hätten. Wie viele wurden da von den Behörden3 zurückgestellt, weil der Abend hereinbrach, wie viele baten sogar noch darum, ihren Untergang nur ja nicht zu verschieben! Wie kann ein solcher Mensch Gewalt vorschützen, um damit sein Vergehen zu rechtfertigen, da er vielmehr selbst Gewalt angewandt hat, um sein Verderben herbeizuführen? Als er freiwillig zum Kapitol kam, als er aus freien Stücken zur gehorsamen Ausführung der grausigen Tat vortrat, mußte da nicht sein Schritt wanken, wurde es ihm da nicht dunkel vor den Augen, schlug ihm da nicht zitternd das Herz, brachen nicht seine Glieder zusammen? Sind ihm da nicht die Sinne geschwunden, hat da nicht die Zunge gestockt, die Sprache versagt? Vermochte wirklich ein Diener Gottes dort zu stehen und zu sprechen und Christus zu entsagen, er, der bereits dem Teufel und der Welt entsagt hatte?4 Bedeutete nicht jener Altar, an den er, um zu sterben, herantrat, für ihn den Scheiterhaufen? Hätte er nicht vor des Teufels Opferherd, von dem er den gräßlich duftenden Rauch aufsteigen sah, als vor seiner Todes- und Grabesstätte schaudernd fliehen sollen? Wozu bringst du, Unseliger, erst noch eine Opfergabe mit, wozu ein Opfertier, das du demütig darbringen willst? Du selbst bist ja als Schlachtopfer, du selbst bist als Opfertier an den Altar gekommen; geopfert hast du hier dein Heil, deine Hoffnung; deinen Glauben hast du hier in den unheilvollen Flammen verbrannt.
Wer seinen Glauben abschwören wollte. mußte zum Kapitol emporsteigen und dort opfern. Mit dem Worte Kapitol, das ursprünglich die Burg mit dem Jupitertempel in Rom bezeichnet, benannte man später auch Burgen und große Tempel in anderen Städten. Solche Verräter ihres Glaubens nannte man dann verächtlich Capitolini. ↩
Das Forum von Karthago lag unmittelbar unterhalb des Kapitols. ↩
In der Regel wurde in jeder Stadt zur Durchführung des kaiserlichen Edikts eine Kommission von fünf Mitgliedern eingesetzt, über die unter Umständen der Prokonsul den Vorsitz führte. ↩
Anspielung auf die feierliche Frage, die bei der Taufe zu beantworten war. ↩
