Kap. 27. Auch die sogenannten libellatici haben mit dem Vorlegen eines Opferzeugnisses schwere Schuld auf sich geladen, die sich nur durch wahre Buße sühnen läßt.
Vor der Einbildung, als ob sie weniger Buße zu tun brauchten, mögen sich auch die anderen hüten, die zwar nicht ihre Hände mit verbrecherischen Opfern besudelt, wohl aber ihr Gewissen durch Opferzeugnisse1 befleckt haben. Auch dies ist das Bekenntnis eines Verleugners, das Geständnis eines Christen, der das in Abrede stellt, was er gewesen war. Er hat behauptet, all das getan zu haben, was in Wirklichkeit ein anderer begangen hat, und obwohl geschrieben steht: „Ihr könnt nicht zwei Herren dienen“2 , hat er dem weltlichen Herrn gedient, hat er seinem Gebot Folge geleistet und der menschlichen Obrigkeit mehr gehorcht als seinem Gott3 . Mag er zusehen, ob ihm die Veröffentlichung seines Vergehens in den Augen der Menschen vielleicht weniger Schande oder Vorwürfe einträgt: Gott jedoch, seinem Richter, wird er nicht entfliehen und entrinnen können. Sagt doch der Heilige Geist in den Psalmen: „Was unvollendet an mir ist, sahen Deine Augen, und in Deinem Buche werden alle eingeschrieben werden“4 . und wiederum: „Der Mensch sieht auf das Äußere, Gott aber in das Herz“5 .. Und auch der Herr selbst mahnt und bereitet uns vor mit den Worten: „Und alle Gemeinden werden erkennen, daß ich es bin, der Nieren und Herz durchforscht“6 . Er durchforscht das Verborgene und sieht das Geheime und Versteckte, und keiner vermag den Augen Gottes zu entgehen, der da sagt: „Ich bin ein Gott, der nahe ist, und nicht ein Gott von S. 117 ferne her. Wenn ein Mensch sich verborgen hält im Verborgenen, werde ich ihn deshalb nicht sehen? Erfülle ich nicht Himmel und Erde?“7 Er sieht in das Herz und in die Brust eines jeden, und er, der nicht nur über unsere Handlungen, sondern auch über unsere Worte und Gedanken richten wird, erblickt die Gesinnungen und die Wünsche, die jeder einzelne hegt, selbst in den innersten Winkeln des noch verschlossenen Herzens.
