3.
Zuerst weichen wir von ihnen in der Glaubenslehre ab. Wir behaupten, daß Vater, Sohn und Hl. Geist je eine für sich bestehende Person sind, wenn wir ihnen auch nur eine Wesenheit zuschreiben. Die Montanisten aber folgen der Lehre des Sabellius 1 und zwängen die Dreifaltigkeit in die Enge einer Person. Wir setzen uns zwar nicht für eine zweite Ehe ein, aber wir erlauben sie, nachdem Paulus angeordnet hat, daß junge Witwen heiraten sollen. 2 Die Montanisten hingegen halten eine zweite Heirat für ein so großes Verbrechen, daß sie den, der eine solche eingeht, einen Ehebrecher nennen. 3 Gemäß apostolischer Überlieferung halten wir einmal [im Jahre] eine vierzigtägige Fastenzeit und stimmen darin mit dem ganzen Erdkreis überein. Sie aber halten dreimal im Jahre Quadragesimalfasten, gleich als ob drei S. b145 Erlöser gelitten hätten. Ich will damit keineswegs behaupten, daß es nicht, von der Pfingstzeit abgesehen, 4 freistehe, das ganze Jahr hindurch zu fasten. Immerhin besteht ein Unterschied, ob ich mir aus freiem Willen ein Opfer auferlege, oder ob ich dies aus dem Zwange des Gesetzes heraus tue. 5 Bei uns nehmen die Bischöfe die Stelle der Apostel ein, während bei ihnen der Bischof erst die dritte Rangstufe innehat. An erster Stelle setzen sie die Patriarchen aus Pepuza in Phrygien, 6 an zweiter kommen die sogenannten Koinonen. 7 Auf diese Weise werden von ihnen die Bischöfe auf die dritte, d.h. beinahe auf die letzte Stufe herabgedrückt. Man könnte glauben, sie wollten ihrer Religion dadurch einen höheren Nimbus verleihen, daß sie das, was bei uns an erster Stelle steht, in ihrer Gemeinschaft auf die letzte herabwürdigen. Die Montanisten verschließen beinahe für jedes Vergehen die Tore der Kirche. Wir hingegen lesen Tag um Tag: „Ich will nicht den Tod des Sünders, sondern seine Buße.“ 8 Ferner: „Es spricht der Herr: Soll etwa, wer fällt, sich nicht mehr erheben?“ 9 Oder: „Bekehret euch zu mir, ihr rebellischen Söhne, und ich will eure Schmerzen heilen.“ 10 Sie aber sind von einer starren Strenge, was nicht heißen soll, daß sie nicht noch schlimmer sündigen als wir. 11 Vielmehr liegt praktisch der Unterschied zwischen ihnen S. b146 und uns darin, daß sie als angeblich Gerechte sich schämen, ihre Sünden zu bekennen, während wir, indem wir Buße tun, viel leichter Verzeihung verdienen.
Vgl. S. 81. ↩
1 Tim. 5, 14. Als Dogmatiker urteilt Hieronymus im Sinne der Kirche über die zweite Ehe anders wie als Aszet. ↩
Vgl. Tertullian, De monog. 1. 9 (BKV XXIV 475. 497 f.). ↩
Vgl. Tertullian, De ieiunio 14 (BKV XXIV 551). ↩
Vgl. ebd. 13 (BKV XXIV 548). ↩
Von der phrygischen Stadt Pepuza, dem Jerusalem der Montanisten, sollte das tausendjährige Reich ausgehen. Dort sollte sich das himmlische Jerusalem herablassen. Den Pepuzakult pflegte vor allem die Richtung der Quintillianer, auch Pepuzianer genannt (vgl. Eusebius, Hist. eccles. V 18 — BKV II. Reihe I 244; Epiphanias, Panarion haer. 48, 14; 49, 1 — BKV XXXVIII 208 [Kürzung aus der Anakephalaiosis]). ↩
Die Koinonen, die das Priester- und Hirtenamt verwalteten, konnten sogar Frauen sein (vgl. Epiphanius a. a. O. 49, 2 f. — BKV XXXVIII 208; Gr. I 238 Anm. 1). ↩
Ezech. 18, 23. ↩
Jer. 8, 4. ↩
Ebd. 3, 22 (nach LXX). ↩
Vgl. Eusebius, Hist. eccles. V 18 (BKV II. Reihe I 244 ff.). ↩
