Einleitung
Unserem historisch kritischen Geschlecht sagt die Art der Schriftdeutung, wie sie von Hieronymus gepflegt wird, vielfach nicht zu. Sie ist zu sehr auf das Allegorische abgestellt, da nach seiner Auffassung das Unergründliche des göttlichen Wesens sich auch in den vom Hl. Geist eingegebenen Büchern widerspiegeln muß. Gewiß ist Hieronymus im Laufe der Zeit dem Buchstaben bewußt gerechter geworden. Aber seiner alten Vorliebe konnte er doch nicht ganz untreu werden, wie vorliegender Brief, der zu den späteren Erzeugnissen seiner Feder gehört, beweist.
Dardanus, ein vornehmer Gallier, richtete an Hieronymus eine Anfrage wegen des Ausdruckes „Land der Verheißung“. Da es der Bote eilig hat, wird der Brief noch am Tage der Ankunft in den Nachtstunden erledigt. Unter dem Lande der Verheißung wird nicht gemäß der jüdischen Deutung ein irdisches Land verstanden, sondern das Land der Lebenden, das himmlische S. b332 Jerusalem. Dieses bleibt den Juden vorenthalten wegen ihres Hanges zum Götzendienste im Alten Bunde und wegen ihres feindseligen Verhaltens gegen Christus im Neuen Testamente. Erst nach der Bekehrung der Heiden wird auch für sie die Stunde der Rettung schlagen.
Die zeitliche Festlegung hat von nachstehenden Daten auszugehen. Der Brief weist darauf hin, daß Dardanus zweimal das Amt des praefectus praetorio in Gallien innehatte. 1 Wie Vallarsi in seiner chronologischen Übersicht zu den Briefen dartut, war dies der Fall in den Jahren 409 und 413. 2 Im ersten Buche des Kommentars zu Jeremias wird die kleine Abhandlung über das Land der Verheißung als vor kurzem verfaßt erwähnt. 3 Dieser Teil des Kommentars war vor dem Dialog gegen die Pelagianer geschrieben, 4 der noch in das Jahr 415 fällt. Damit ergibt sich für unseren Brief das Jahr 414 als Jahr der Niederschrift.
