2.
In der Einleitung folgst Du den Philosophen und stellst allgemeine Grundsätze auf, durch die Du zwar alle belehrst, aber auch den einen gemeinten mundtot machst. 1 Die weiteren Ausführungen verraten gleichzeitig — und dies ist nicht so einfach — philosophische Gedankenschärfe wie rhetorische Gewandtheit, so daß Demosthenes und Platon gleichsam miteinander vereint erscheinen. Wie trefflich schreibst Du gegen die Vergnügungssucht! Mit welchen Lobsprüchen preisest Du nicht die Enthaltsamkeit! 2 Mit großer Gelehrsamkeit sprichst Du über die Wechselbeziehungen zwischen Tag und Nacht, von der Bahn des Mondes und der Natur der Sonne, von dem Aufbau des Weltalls. 3 Den gesamten Ausführungen legst Du die Hl. Schrift zugrunde, so daß der Anschein erweckt wird, als sei im Osterfestbrief nichts profanen Quellen entnommen. Was kann ich noch mehr sagen zu Deinem Lobe, ohne mich dem Vorwurfe der Schmeichelei auszusetzen? Die Schrift ist sehr gut. Das gilt von den philosophischen S. b398 Darlegungen, aber auch von der thematischen Durchführung, die von jeglicher Gehässigkeit gegen andere frei ist. Verzeihe nun, darum bitte ich Dich, meine Saumseligkeit! Denn der Heimgang der heiligen und ehrwürdigen Paula hat mich so niedergedrückt, daß ich, von der Übersetzung dieser Schrift abgesehen, nichts Theologisches schreiben konnte. Denn wie Du selbst weißt, habe ich mit dem Hinscheiden dieser Frau plötzlich meinen ganzen Trost verloren. Gott ist mein Zeuge, daß ich diesen Verlust nicht so sehr um meinetwillen empfinde, sondern im Interesse der Ordensgemeinschaft, der sie sich mit aller Hingabe gewidmet hat. Deine heilige und ehrwürdige Tochter Eustochium, welche sich über die Trennung von der Mutter nicht trösten kann, läßt Dich in Ehrerbietung grüßen, ebenso die ganze Klostergemeinde. Schicke mir, bitte, die Bücher, welche Du neulich, wie Du mir mitteiltest, geschrieben hast, damit ich sie lesen oder auch übersetzen kann! 4
Origenes, gegen den Kapitel 11—13 des Osterfestbriefes ausdrücklich Stellung nehmen. ↩
Ep. 100, 6 ff. ↩
Ebd. 100, 10. ↩
Man hat wohl an die 404 geschriebene Schmähschrift gegen Johannes Chrysostomus zu denken, welche von Hieronymus übersetzt wurde. Sie ist verlorengegangen, wird aber von Facundus von Hermiane erwähnt (Ep. fid. cath, in defens, trium capit. 6, 5 — M PL LXVII 678). ↩
