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Vom Zorne Gottes (BKV)
5. Widerlegung der Stoiker.
Von den Stoikern1 und manch anderen Philosophen erachtet man, daß sie eine weit bessere Vorstellung von der Gottheit hatten; denn sie behaupten, daß in Gott wohl Gnade ist, aber nicht Zorn. Eine gar gewinnende und einschmeichelnde Rede, daß von einer solchen Kleinlichkeit des Geistes bei Gott nicht die Rede sein kann, gleich als ob der sich von jemand verletzt fühlen S. 76 könnte, den niemand verletzen kann, als ob jene ruhige und heilige Majestät in Aufregung, Verwirrung und Außersichsein geraten könnte, was Erbteil der irdischen Gebrechlichkeit ist. Denn der Zorn, sagen sie, ist Erregung und Verwirrung des Geistes, und diese ist der Gottheit fremd. Schon für den Menschen, der weise und ernst ist, geziemt sich nicht der Zorn; denn sobald der Zorn des Menschen Gemüt befällt, so regt er wie ein wilder Sturm solche Fluten auf, daß sich der Zustand des Geistes verändert: es funkeln die Augen, es bebt der Mund; die Zunge stottert, die Zähne klappern, und abwechselnd entstellt bald überströmendes Rot, bald entfärbende Blässe das Antlitz; um wieviel weniger schickt sich für Gott eine so häßliche Entstellung. Und wenn schon der Mensch, der Herrschaft und Macht besitzt, weithin im Zorne schadet, wenn er Blut vergießt, Städte zerstört, Völker vernichtet, Provinzen verödet, um wieviel mehr müßte man gewärtig sein, daß Gott, der die Macht über das ganze menschliche Geschlecht und über das Weltall selbst hat, alles zugrunde richten würde, wenn er zürnen würde. Von Gott muß also ein so großes und verderbliches Übel ferne sein. Und wenn Zorn und Aufregung Gott fremd ist, weil sie häßlich und schädlich ist, wenn Gott niemand Übles zufügt, so bleibt nichts anderes übrig, als daß Gott ein sanftes, ruhiges, gnädiges, wohltätiges und erhaltendes Wesen ist. So erst wird er der gemeinsame Vater aller und der Größte, Beste genannt werden können, wie es die göttliche und himmlische Wesenheit erheischt. Wenn es unter den Menschen als lobenswert erscheint, lieber zu nützen als zu schaden, lieber zu beleben als zu töten, lieber zu retten als zu verderben, wenn die Schuldlosigkeit nicht mit Unrecht unter die Tugenden gerechnet wird; wenn der, welcher so handelt, geliebt, bevorzugt, ausgezeichnet, mit allen Segnungen und Wünschen begleitet wird, wenn er wegen der Verdienste und Wohltaten für ganz ähnlich der Gottheit erachtet wird, um wieviel mehr läßt sich dann erwarten, daß Gott selbst, der durch göttliche und vollkommene Tugenden hervorragt und allen irdischen Gebrechen entrückt ist, sich durch göttliche und himmlische Wohltaten das ganze Geschlecht der S. 77 Menschen verbindlich macht? Das ist eine blendende und hinreißende Sprache, die viele zum Glauben verlockt. Die so denken, kommen zwar der Wahrheit näher, aber zum Teile straucheln sie, indem sie die Natur der Sache zu wenig ins Auge fassen. Wenn Gott den Gottlosen und Ungerechten nicht zürnt, so kann er auch die Gottesfürchtigen und Gerechten nicht lieben. Darum ist folgerichtiger der Irrtum der Epikureer, die Zorn und Gnade zugleich hinwegnehmen. Denn bei Dingen, die entgegengesetzt sind, muß das Gemüt entweder nach beiden Seiten hin bewegt werden oder nach keiner Seite. Wer die Guten liebt, haßt auch die Bösen; und wer die Bösen nicht haßt, liebt auch die Guten nicht; denn die Liebe zu den Guten kommt aus dem Haß gegen die Bösen, und der Haß gegen die Bösen ergibt sich aus der Liebe zu den Guten. Niemand liebt das Leben ohne Haß des Todes, niemand strebt nach Licht, ohne daß er die Finsternis flieht; und so eng sind diese Dinge von Natur aus verknüpft, daß das eine ohne das andere nicht bestehen kann. Wenn ein Herr in seinem Hausgesinde zwei Sklaven hat, einen guten und einen schlechten, so wird er jedenfalls nicht beide zugleich hassen oder beiden zugleich Wohltaten und Ehre erweisen — wenn er dieses tut, so ist er unbillig und töricht —, sondern den guten wird er freundlich anreden und auszeichnen und über Haus und Gesinde und all das Seinige setzen, den schlechten aber wird er mit Schmähworten, Schlägen, Entblößung, Hunger, Durst und Fußschellen strafen, damit der schlechte den übrigen zur Warnung diene, sich nichts zuschulden kommen zu lassen, und der gute zur Mahnung, sich verdient zu machen; so wird dann die einen die Furcht in Schranken halten, die anderen die Ehre spornen. Wer demnach liebt, der haßt auch, und wer haßt, der liebt auch; denn es gibt solche, die man zu lieben verbunden ist, und solche, die Haß verdienen. Und weil dieser Beweis auf Wahrheit beruht, so kann er auf keine Weise entkräftet werden. So ist also falsch und nichtig die Anschauung der Stoiker, die der Gottheit die Gnade zuteilen und den Zorn entziehen, und zwar in nicht minderem Grade als die Anschauung der Epikureer, die S. 78 Gott beides entziehen. Aber die Stoiker irren, wie gesagt, nur zum Teile, indem sie das bessere von beiden der Gottheit belassen; die Epikureer hingegen, die sich von der Folgerichtigkeit und Wahrheit dieser Beweisführung einnehmen lassen, geraten, nachdem sie einmal eine durchaus falsche Meinung sich angeeignet haben, in die größten Irrtümer. Denn nicht so hätten sie folgern sollen: weil Gott nicht zürnt, so wird er auch nicht von Gnade bewegt; sondern so: weil Gott der Gnade zugänglich ist, darum zürnt er auch. Denn wäre es sicher und unbezweifelt gewesen, daß Gott nicht zürnt, so hätte man zu jener weiteren Folgerung gelangen müssen. Nachdem aber die Sache mit dem Zorn mehr zweifelhaft ist, und die Sache mit der Gnade fast ausgemacht ist, so ist es ungereimt, mit dem Ungewissen, dem Nichtzürnen, das Gewisse, die Gnade umstürzen zu wollen, während es doch näher liegt, mit dem Sicheren das Ungewisse zu begründen.
Gegründet von Zeno der um 300 v. Chr. in der Stoa, der mit den Wandgemälden des Polygnot ausgeschmückten Säulenhalle zu Athen lehrte. ↩
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A Treatise on the Anger of God
Chap. V.--The Opinion of the Stoics Concerning God; Of His Anger and Kindness.
The Stoics and some others are supposed to have entertained much better sentiments respecting the divine nature, who say that there is kindness in God, but not anger. A very pleasing and popular speech, that God is not subject to such littleness of mind as to imagine that He is injured by any one, since it is impossible for Him to be injured; so that that serene and holy majesty is excited, disturbed, and maddened, which is the part of human frailty. For they say that anger is a commotion and perturbation of the mind, which is inconsistent with God. Since, when it falls upon the mind of any one, as a violent tempest it excites such waves that it changes the condition of the mind, the eyes gleam, the countenance trembles, the tongue stammers, the teeth chatter, the countenance is alternately stained now with redness spread over it, now with white paleness. But if anger is unbecoming to a man, provided he be of wisdom and authority, how much more is so foul a change unbecoming to God! And if man, when he has authority and power, inflicts widespread injury through anger, sheds blood, overthrows cities, destroys communities, reduces provinces to desolation, how much more is it to be believed that God, since He has power over the whole human race, and over the universe itself, would have been about to destroy all things if He were angry.
Therefore they think that so great and so pernicious an evil ought to be absent from Him. And if anger and excitement are absent from Him, because it is disfiguring and injurious, and He inflicts injury on no one, they think that nothing else remains, except that He is mild, calm, propitious, beneficent, the preserver. For thus at length He may be called the common Father of all, and the best and greatest, which His divine and heavenly nature demands. For if among men it appears praiseworthy to do good rather than to injure, to restore to life 1 rather than to kill, to save rather than to destroy, and innocence is not undeservedly numbered among the virtues,--and he who does these things is loved, esteemed, honoured, and celebrated with all blessings and vows,--in short, on account of his deserts and benefits is judged to be most like to God; how much more right is it that God Himself, who excels in divine and perfect virtues, and who is removed from all earthly taint, should conciliate 2 the whole race of man by divine and heavenly benefits! Those things are spoken speciously and in a popular manner, and they allure many to believe them; but they who entertain these sentiments approach nearer indeed to the truth, but they partly fail, not sufficiently considering the nature of the case. For if God is not angry with the impious and the unrighteous, it is clear that He does not love the pious and the righteous. Therefore the error of those is more consistent who take away at once both anger and kindness. For in opposite matters it is necessary to be moved to both sides or to neither. Thus, he who loves the good also hates the wicked, and he who does not hate the wicked does not love the good; because the loving of the good arises from the hatred of the wicked, and the hating of the wicked has its rise from the love of the good. There is no one who loves life without a hatred of death, nor who is desirous of light, but he who avoids darkness. These things are so connected by nature, that the one cannot exist without the other.
If any master has in his household a good and a bad servant, it is evident that he does not hate them both, or confer upon both benefits and honours; for if he does this, he is both unjust and foolish. But he addresses the one who is good with friendly words, and honours him and sets him over his house and household, and all his affairs; but punishes the bad one with reproaches, with stripes, with nakedness, with hunger, with thirst, with fetters: so that the latter may be an example to others to keep them from sinning, and the former to conciliate them; so that fear may restrain some, and honour may excite others. He, therefore, who loves also hates, and he who hates also loves; for there are those who ought to be loved, and there are those who ought to be hated. And as he who loves confers good things on those whom he loves, so he who hates inflicts evils upon those whom he hates; which argument, because it is true, can in no way be refuted. Therefore the opinion of those is vain and false, who, when they attribute the one to God, take away the other, not less than the opinion of those who take away both. But the latter, 3 as we have shown, in part do not err, but retain that which is the better of the two; whereas the former, 4 led on by the accurate method of their reasoning, fall into the greatest error, because they have assumed premises which are altogether false. For they ought not to have reasoned thus: Because God is not liable to anger, therefore He is not moved by kindness; but in this manner: Because God is moved by kindness, therefore He is also liable to anger. For if it had been certain and undoubted that God is not liable to anger, then the other point would necessarily be arrived at. But since the question as to whether God is angry is more open to doubt, while it is almost perfectly plain that He is kind, it is absurd to wish to subvert that which is certain by means of an uncertainty, since it is easier to confirm uncertain things by means of those which are certain.