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Vom Zorne Gottes (BKV)
8. Die Grundlage der Religion.
Die Religion wird aber tatsächlich aufgelöst, wenn wir dem Epikur glauben, der sich in folgender Weise ausspricht:
„Alles, was Wesen der Götter besitzt, muß für sich allein sein,
Muß das unsterbliche Leben in höchstem Frieden genießen,
Unseren Dingen entrückt und weit von ihnen geschieden. —
Unzugänglich dem Schmerz, geschützt vor jeder Gefährdung,
Selig in eigener Fülle, mit nichten unser bedürftig,
Werden sie, wie von Verdienst nicht berührt, so von Zorn nicht ergriffen“1.
S. 82 Indem Epikur so spricht, glaubt er da noch, daß man Gott irgendeine Verehrung erweisen müsse, oder stürzt er alle Religion um? Wenn Gott niemand Gutes erweist, wenn er dem Verehrer für seine Willfährigkeit keinen Dank erstattet, was ist dann so überflüssig, was so töricht, als Tempel zu erbauen, Opfer darzubringen, Geschenke auf den Altar zu legen, das Vermögen zu mindern, um am Ende nichts zu erlangen? „Aber man muß doch das vortrefflichste Wesen ehren.“ Welche Ehre soll man dem schulden, der um nichts sich kümmert und der für nichts dankt? Können wir aus irgendeinem Grunde dem verpflichtet sein, der mit uns nichts zu tun haben will? „Wenn Gott so beschaffen ist“, sagt Cicero, „daß ihn keine Gnade, keine Liebe zu den Menschen beseelt, so gehab' er sich wohl.“ Denn was soll ich sagen: „Gott sei mir gnädig?“ wenn er doch „niemand gnädig sein kann“ Welche Sprache kann gegen Gott verächtlicher sein, als „er gehabe sich wohl“, d. h. er mache sich fort und verschwinde, nachdem er doch niemand nützen kann. Wenn Gott in seiner Ruhe weder gestört werden will noch andere stört, warum sollen wir uns dann vor Pflichtverletzungen hüten, so oft wir uns der Mitwissenschaft der Menschen entziehen und die öffentlichen Gesetze umgehen können? Wo nur immer uns Gelegenheit zum Verborgensein winkt, da wollen wir auf die Mehrung des Vermögens bedacht sein und Fremdes wegnehmen ohne Blut oder auch mit Blut, wenn man außer den Gesetzen nichts weiter zu fürchten braucht.
Mit solchen Anschauungen vernichtet Epikur die Religion von Grund aus; und ihrer Aufhebung folgt die Verwirrung und Zerrüttung des menschlichen Lebens. Wenn man aber die Religion nicht aufheben kann, ohne daß wir auf die Vernünftigkeit, die uns von den Tieren unterscheidet, ohne daß wir auf die Gerechtigkeit, die dem gemeinschaftlichen Leben Sicherheit verleiht, verzichten, wie kann dann die Religion selbst ohne Furcht erhalten und bewahrt werden? Was man nicht fürchtet, schätzt man gering; und was man geringschätzt, wird man sicherlich nicht verehren. So ergibt sich, daß Religion, Würde und Ehre auf Furcht sich gründet; Furcht S. 83 aber kann nicht bestehen, wo niemand zürnt. Man mag also der Gottheit die Gnade oder den Zorn oder beides zugleich absprechen, immer ist die Aufhebung der Religion die notwendige Folge; ohne Religion aber sinkt das menschliche Leben zu einem Gemisch von Torheit, Verbrechen und Unmenschlichkeit herab. Denn ein mächtiger Zügel ist für den Menschen das Gewissen, wenn wir nämlich im Angesichte Gottes zu leben glauben, wenn wir überzeugt sind, daß der Himmel auf unsere Werke schaut, ja daß Gott auch unsere Gedanken wahrnimmt und unsere Worte hört. „Freilich ist es gut, das zu glauben — so wähnen manche — aber nicht der Wahrheit, sondern des Nutzens halber, nachdem die Gesetze das Gewissen nicht strafen können; es muß daher irgendein Schrecken vom Himmel drohen, um die Ausschreitungen im Zaum zu halten.“ Somit wäre alle Religion falsch, und es gäbe keine Gottheit; vielmehr wäre alles von klugen Männern erdichtet worden, um das Leben ordentlicher und schuldloser zu gestalten. Das ist eine wichtige Frage, die aber nicht zum Gegenstand, den wir zu behandeln haben, gehört; weil sie sich indes notwendig aufdrängt, so müssen wir sie, wenn auch kurz, berühren.
Lukr. II 646 f. ↩
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A Treatise on the Anger of God
Chap. VIII.--Of Religion.
But religion is overthrown if we believe Epicurus speaking thus:--
"For the nature of gods must ever in itself of necessity enjoy immortality together with supreme repose, far removed and withdrawn from our concerns; since, exempt from every pain, exempt from all dangers, strong in its own resources, not wanting aught of us, it is neither gained by favours nor moved by anger." 1
Now, when he says these things, does he think that any worship is to be paid to God, or does he entirely overthrow religion? For if God confers nothing good on any one, if He repays the obedience of His worshipper with no favour, what is so senseless, what so foolish, as to build temples, to offer sacrifices, to present gifts, to diminish our property, that we may obtain nothing? 2 But (it will be said) it is right that an excellent nature should be honoured. What honour can be due to a being who pays no regard to us, and is ungrateful? Can we be bound in any manner to him who has nothing in common with us? "Farewell to God," says Cicero, 3 "if He is such as to be influenced by no favour, and by no affection of men. For why should I say 'may He be propitious? ' for He can be propitious to no one." What can be spoken more contemptible with respect to God? Farewell to Him, he says, that is, let Him depart and retire, since He is able to profit no one. But if God takes no trouble, nor occasions trouble to another, why then should we not commit crimes as often as it shall be in our power to escape the notice of men 4 and to cheat the public laws? Wherever we shall obtain a favourable opportunity of escaping notice, let us take advantage of the occasion: let us take away the property of others, either without bloodshed or even with blood, if there is nothing else besides the laws to be reverenced.
While Epicurus entertains these sentiments, he altogether destroys religion; and when this is taken away, confusion and perturbation of life will follow. But if religion cannot be taken away without destroying our hold of wisdom, by which we are separated from the brutes, and of justice, by which the public life may be more secure, how can religion itself be maintained or guarded without fear? For that which is not feared is despised, and that which is despised is plainly not reverenced. Thus it comes to pass that religion, and majesty, and honour exist together with fear; but there is no fear where no one is angry. Whether, therefore, you take away from God kindness, or anger, or both, religion must be taken away, without which the life of men is full of folly, of wickedness, and enormity. For conscience greatly curbs men, if we believe that we are living in the sight of God; if we imagine not only that the actions which we perform are seen from above, but also that our thoughts and our words are heard by God. But it is profitable to believe this, as some imagine, not for the sake of the truth, but of utility, since laws cannot punish conscience unless some terror from above hangs over to restrain offences. Therefore religion is altogether false, and there is no divinity; but all things are made up by skilful men, in order that they may live more uprightly and innocently. This is a great question, and foreign to the subject which we have proposed; but because it necessarily occurs, it ought to be handled, however briefly.